27.05.2010
Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen
Thesenpapier: „Energie 2020 - die
Berliner Linie"
10 Thesen von Harald Wolf, Senator für Wirtschaft, Technologie und Frauen
vorgelegt zur Diskussion im Vorfeld des Energie-Symposiums am 26. Mai 2010
1. Beim Blick auf die Entwicklung der Energiewirtschaft in Deutschland kann man aus Berliner Sicht weder Zufriedenheit attestieren noch ein „einfach weiterlaufen lassen" akzeptieren, wenn
an die Stelle öffentlicher Monopole der alten
Energiewelt private Oligopole für die Zukunft treten.
dezentrale Strukturen in der Erzeugung, in der
Standort- und Regional-Entwicklung und im Kunden-Service zentralistischen
Bestrebungen zum Opfer fallen...
die Potentiale der erneuerbaren Energien
erst gar nicht und dann nur als Subventions-Potentiale ausgeschöpft werden.
in unserem Energie-System Energie-Effizienz
zur ungeliebten Stiefmutter wird, die man lieber gehen als kommen sieht...
2. Die Ursachen dieser Entwicklung sind nicht mono-kausal sondern hoch-komplex und sowohl globaler als auch lokaler Natur - mit einerseits generell geltenden, andererseits aber auch sehr spezifisch „berlinerischen" Hintergründen. Für eine gezielte Beeinflussung der weiteren Entwicklung der Energiewirtschaft heißt das: Wir können in Berlin nicht an allen „Ursachen-Schrauben" mit ausreichend Aussicht auf Erfolg drehen. Daher brauchen wir, bezogen auf die für uns wichtigen und von uns auch wirklich beeinflussbaren Faktoren, ein sehr gezieltes Agieren der Politik und eine Bündelung der Kräfte.
3. Ist die Problembeschreibung erfolgt und der Handlungsrahmen abgesteckt, bedarf es im Weiteren der Entwicklung klarer Ziele im Bereich der Energiewirtschaft. Dies schließt ein, dass wir einen zeitlichen Horizont vor Augen haben (für mich bietet sich dafür 2020 an), Zielvorstellungen transparent machen, Zielfelder in Relation setzen und möglichst konkrete Ziele entwickeln. Die „Hausnummern" sind klar: mehr ökologische Verantwortung, mehr energetische Effizienz, mehr wettbewerbliche Orientierung, mehr Wertschöpfung in der Region, mehr Standort-Engagement und mehr Orientierung an den Interessen der Kunden.
4. Der Problemaufriss macht deutlich: Die Entwicklung der Energiewirtschaft kann nicht allein den Kräften des Marktes überlassen werden - die politische Gestaltung von Rahmenbedingungen und Zielsetzungen ist essentiell. So unerlässlich eine aktive und auch wirkungsvolle öffentliche Mitgestaltung der weiteren Entwicklung der Energiewirtschaft auch ist - so wenig ist „Re-Kommunalisierung" ein Ziel an sich - und auch keine Strategie, die ohne angemessene Berücksichtigung von Rahmenbedingungen, Ressourcen-Verfügbarkeiten und alternativen Handlungs-Optionen verfolgt werden kann.
5. Genauso wenig wie ein „back-to-the-roots" blind re-kommunalisierter Energiewirtschaft Gebot der Stunde sein kann, so wenig kann verantwortliche und zukunftsgestaltende Politik sich allein auf Ordnungspolitik und reine Rahmensetzung konzentrieren. Wir wollen auch weiterhin das unternehmerische Engagement der Energiewirtschaft - aber mit einem deutlicheren Bekenntnis zur gesellschaftlichen Verantwortung. Und: mit einem gestärkten öffentlichen Einfluss. Intelligente und aktiv gemanagte Kooperationen öffentlicher und privater Partner, Vereinbarungen, die nicht nur auf dem Papier stehen, sondern im Alltag Wirkung entfalten, geben eine Richtung an, die ich will und die ich verfolge. Denn: Aktive Mitgestaltung der Weiterentwicklung der Energiewirtschaft geht nicht von der Zuschauertribüne aus.
Daher:
6. Müssen wir nicht alle ein Interesse daran haben, den Grundsatz zu verfolgen,
die weitere Entwicklung der Energiewirtschaft aktiv mitzugestalten statt nur Zuschauer zu spielen - ohne „back-to-the-roots", aber auch ohne „Nachtwächter"-Rolle. ? Und heißt das dann nicht auch, die Markt- und die gesamte Umfeld-Entwicklung berücksichtigend, eine Berlin-spezifische Antwort, eine Berliner Linie zu entwickeln, eine Linie, die die Logik der energiewirtschaftlichen Entwicklung ebenso professionell berücksichtigt, wie sie eigene Berliner Ziele klar entwickelt und deren Umsetzung auf dem Spielfeld aktiv mitgestaltet ? Eine Linie der Kooperation von privaten und öffentlichen Akteuren, „win-win" im besten Sinne.
7.Wenn wir einem solchen Grundsatz „ Energie 2020 - die Berliner Linie" folgen - müssen wir dann nicht konsequenterweise auch ganz konkret in verschiedenen Handlungssträngen agieren ?
Ich jedenfalls sehe drei parallele, aufeinander abgestimmte Handlungsstränge.
Handlungsstrang Nr. 1 umfasst alle Optionen zur Beeinflussung des Agierens und des gezielten Ausschöpfens der Energie der Spieler auf dem Spielfeld:
gemeinsame Willensbildung,
Anreize,
Ausschöpfung gesellschafts-rechtlicher
Positionen,
politische Rahmensetzung -
und, wenn nötig: politischer Druck...
8. Handlungsstrang Nr. 2 umfasst alle Optionen zur Entwicklung von BERLIN ENERGIE als eigenen „Spieler-Persönlichkeit" auf dem Feld der Weiterentwicklung der Energiewirtschaft in Berlin.
Die Entwicklung und der Markt-Einstieg eines innovativen Energie-Unternehmens,
das an Berliner Zielen orientiert
ressourcenschonende, klimaschützende,
beschäftigungsschaffende und standortstärkende Energie-Produkte und
Energie-Dienstleistungen entwickelt
und im Markt anbietet,
eines Energie-Unternehmens, das, auch im Sinne
unserer Idee der „kommunalen Mehrwert-Unternehmen" vorhandene Ressourcen nutzt,
bündelt und weiterentwickelt,
mit
klarer unternehmerischer Erfolgs-Orientierung, aber auch als konstruktiver
„Dorn im Fleisch" und Benchmark...
9. Handlungsstrang Nr. 3 schließlich zielt auf die Netze. Unbeschadet allen Unbundlings und unbeschadet auch optimistischer Erwartungen bezüglich einer regulierungs-induzierten wettbewerblichen Neutralisierung der Netze: Netze bleiben wichtig für die weitere Entwicklung energiewirtschaftlicher Strukturen und die Umsetzung energiepolitischer Zielvorstellungen. „Smart Grids" können einen wesentlichen Beitrag liefern
zur Weiterentwicklung von Energie-Effizienz,
zur Ausschöpfung der Potentiale erneuerbarer
Energien,
zur Entwicklung intelligenter Energie-Dienstleistungen.
Und: Intelligente Netze sind wesentlicher
Bestandteil einer zukunftsorientierten Infrastruktur und tragen in diesem Sinne
auch zur Standort-Stärkung bei.
Dies alles sind gute Gründe, dass wir uns mit einer aktiven Rolle des Landes Berlin im Netzgeschäft beschäftigen.
10. Diese drei Handlungsstränge können und sollen uns allen nutzen, der Umwelt und Beschäftigung, dem Wettbewerb und Standort - ohne jeden „Alleinvertretungs-Anspruch" sondern eher im Gegenteil als Ansporn und Einladung zur Bündelung der Berliner Kräfte: für lokale Stromerzeugung der kurzen Wege mit weniger Übertragungsverlusten, für eine breite Öffnung für kleinere Einspeiser, zur Effizienzsteigerung und CO2 - Reduzierung, für Beschäftigungswachstum und technologische Innovationen, zur Versorgungs- und Preisstabilität für BürgerInnen und Unternehmen, für das Gemeinwesen Berlin.
Und so, wie diese „Berliner Linie" inhaltlich auf eine kooperative Weiterentwicklung der Energiewirtschaft in Berlin ausgerichtet ist - so ist es auch der Prozess dieser Weiterentwicklung: nicht als simple Formulierung politischer Bekenntnisse, nicht als isoliertes Nutzen politischer Gestaltungs-Möglichkeiten sondern als Einladung zum kooperativen Entwicklungs-Prozess „auf Augenhöhe": von Politik, Energieunternehmen, Berliner Wirtschaft, Kunden und allen konstruktiven Kräften dieser Stadt...
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27.05.2010
Energie aus Stadtwerken
Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) will den Einfluss des Landes verstärken
Neues Deutschland, 27.5.2010http://www.neues-deutschland.de/artikel/171761.energie-aus-stadtwerken.html