20.08.2010
Der Tagesspiegel, 20.8.2010
Elektroautos: Berlin will Modell starten
Merkel befürwortet mögliches Großprojekt
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat ein klar formuliertes Ziel: Bis 2020 sollen eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Große Marktchancen liegen deshalb in der Entwicklung alternativer Antriebe wie Hybrid-, Wasserstoff-, Brennstoffzellen und eben auch in der Elektromobilität. Genau dafür will das Land Berlin Modellstandort werden. Im September soll eine neue Agentur gegründet werden mit einem „Mr. E-Mobility" an der Spitze, der Kontakte zu privaten Partnern, Verbänden, Automobilkonzernen und der Bundespolitik hält. Noch stehe der Name des Chefs nicht fest, verlautet aus Senatskreisen.
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die Idee geworben, in Berlin ein Großprojekt mit Elektrofahrzeugen zu starten. Und Merkel befürwortete in einem Antwortschreiben, Berlin zur „deutschen Hauptstadt für Elektromobilität" zu machen. Berlin bietet sich nach Meinung von Fachleuten deshalb an, weil die begrenzte Reichweite der Elektroautos vor allem in der Stadt genutzt werden kann.
Außerdem kann Berlin schon auf 550 Ladeplätze zurückgreifen, von denen 200 im öffentlichen Raum liegen. Die restlichen 350 sind für Tests von Fahrzeugflotten oder Privatleuten vorgesehen, die im Rahmen eines Leasingvertrages auch eine Schnellladesäule gestellt bekommen.
Der Bundesverband Elektromobilität unterstützt die Absicht des Landes, Standort für Elektromobilität zu werden. „Wir warten jetzt auf konkrete Pläne", hieß es. Bereits 2009 hatte das Bundesverkehrsministerium acht Regionalkonzepte zur Förderung der Elektromobilität vorgestellt. Die Verwaltungen der Regionen Bremen/Oldenburg, Hamburg, München, Rhein-Main, Rhein-Ruhr, Dresden/Leipzig, Stuttgart und Berlin/Potsdam erhielten insgesamt 115 Millionen Euro, um Projekte zu entwickeln. So sollen in Stuttgart beispielsweise Hybridbusse gefördert werden, während sich in Berlin künftig Einwohner über ein Car-Sharing-Programm Elektrofahrzeuge ausleihen und zur Probe fahren können. Sabine Beikler
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Berliner Zeitung, 20.8.2010
Gesucht: "Mr. E-Mobility Berlin"
Der Senat gründet eine Agentur, um Berlin als Test- und Produktionsort für Elektroautos zu etablieren
Mit der Gründung einer Promotion-Agentur will die rot-rote Landesregierung für den Standort Berlin beim Thema E-Mobilität - also der Entwicklung und Produktion von Elektroautos - werben. Die neue "Agentur für E-Mobilität", so der Arbeitstitel, soll nach Plänen der Senatskanzlei noch im September ihre Arbeit beginnen. Sie soll mit dafür sorgen, dass Berlin als "Modellstadt" eine wesentliche Rolle im Rahmen der "Nationalen Plattform für Elektromobilität" spielt, die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Industrievertretern im Frühjahr gegründet wurde. Ziel ist es, im Jahr 2020 mindestens eine Million Autos mit Elektrobetrieb in Deutschland fahren zu lassen. An der Initiative beteiligen sich alle großen deutschen Autohersteller, die in Sachen E-Antrieb noch den Vorsprung vor allem japanischer Marken aufzuholen haben.
Laut Senatskanzlei, wo die Vernetzung von Verbänden, Firmen und Verwaltungen bisher vorangetrieben wird, hat sich Berlin das Ziel gesetzt, dass im Jahr 2020 bereits 100 000 neuer Elektroautos in der Stadt fahren. Das wäre durchaus ehrgeizig, denn bisher sind es lediglich ein paar Hundert, darunter 120 E-Smarts von Daimler und 100 BMW Minis.
Immerhin hat Berlin bundesweit die am besten ausgebaute E-Tankstellen-Infrastruktur: Rund 200 öffentlich zugängliche Ladeplätze gibt es, dazu noch einmal 350 privat genutzte. Berlin will (zusammen mit Brandenburg, insbesondere Potsdam) aber nicht nur Markt und Erprobungsregion sein, sondern langfristig auch Produktionsstandort für neue Elektroauto-Fabriken. Erst dies würde für viele neue Jobs und eine Zulieferindustrie sorgen. Auch im Industriearbeitskreis, geleitet vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), spielt das Thema daher eine große Rolle, heißt es. Geprüft wird unter anderem, inwieweit E-Autos künftig auch für den Senatsfuhrpark geeignet sind.
Die Agentur soll mit den "Stärken der Stadt" für das "Großprojekt Elektromobilität" werben: Dazu zählen laut Senat besonders die Verkehrsforschung etwa an der Technischen Universität und am Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen, der von der Technologie-Stiftung geführte Forschungs- und Industrie-Verbund ("Cluster") für Elektromobilität (INFABB) und die Tatsache, dass Berlin kein Standort eines einzelnen großen Autoherstellers ist. Berlin sei vielmehr ein "herstellerneutraler Standort", heißt es in den Plänen, für den es bundesweit zu werben gelte, um Entwicklung, Erprobung und Produktion von Elektroautos zu etablieren.
Für die wichtige Aufgabe als Berlins Koordinator, Werber und Ansprechpartner sucht die Agentur allerdings noch eine möglichst prominente und bereits gut vernetzte Person - einen "Mr. E-Mobility Berlin", es darf auch eine Mrs. sein. Er oder sie soll die deutsche Hauptstadt innerhalb der Nationalen E-Plattform verankern helfen, deren Zwischenbericht im November erwartet wird. Mut macht den Berliner E-Strategen dabei ein Schreiben der Kanzlerin, die Berlin kürzlich persönlich bescheinigte, bereits jetzt "ein wichtiges Zentrum für E-Mobilität" zu sein.
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Berliner Morgenpost, Freitag, 20. August 2010
Lobbyagentur: Mit Energie für Elektromobilität
Der Berliner Senat wird gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Verbänden im September eine Agentur für Elektromobilität gründen.
Sie soll so lange Lobbyarbeit betreiben und die Berliner Partner koordinieren, bis die Bundesregierung in ihrer "Nationalen Plattform Elektromobilität" entschieden hat, wo an Elektroautos, Batterien und Antrieben künftig in Deutschland geforscht werden soll, wo Testmärkte entstehen und wo letztlich die Bauteile der neuen Fahrzeuge produziert werden könnten. "Wir wollen in Berlin nicht nur Markt sein, sondern auch Produktionsstandort", sagte Senatssprecher Richard Meng. Die Bundesregierung wird voraussichtlich in ein bis eineinhalb Jahren entscheiden.
Die Unternehmensberatung McKinsey hatte in einer Studie das Thema Elektrofahrzeuge als eine der Branchen identifiziert, in der Berlin alle Chancen besitzt, neue Industrien aufzubauen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bot Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an, Forschung und Produktion dieses Zukunftssektors in Berlin aufzubauen. Zudem sollte 2020 in der Hauptstadt ein erster industrieller Großversuch mit 100 000 Elektroautos starten.
Die Antwort Merkels war freundlich. Berlin sei bereits heute ein wichtiges Zentrum der Elektromobilität. Die Bundesregierung verspreche sich im Rahmen der Plattform Erkenntnisse aus Berliner Forschungseinrichtungen und Unternehmen, sie sehe "vielversprechende Initiativen und begrüße das Vorhaben. Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie, schrieb an den "lieben Klaus", Berlin sei in der Elektromobilität "unter den Spitzenreitern" und dabei, sich zur deutschen Hauptstadt dieses Sektors zu entwickeln.
Im Roten Rathaus wertet man die Aussagen von Kanzlerin und Autoverband als Hinweise darauf, dass die großen Autokonzerne, die Energieunternehmen und die Bundesregierung Berlin berücksichtigen werden, wenn Forschungsgeld verteilt und entschieden wird, neue Standorte für Produktion aufzubauen. Als Konkurrenz werden Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gesehen. Schon heute habe Berlin aber mit 550 Ladestationen und mehreren Modellversuchen unter anderem mit 120 E-Smarts und einer ähnlichen Anzahl von E-Minis die beste Infrastruktur Deutschlands.
Die Gewerkschaften, die in der nationalen Plattform mitarbeiten, würden zwar eher die etablierten Standorte der großen Autokonzerne favorisieren, um dort die Belegschaften langfristig halten zu können, sagte Wowereits Berater Björn Böhning. Wenn aber neue, innovative Lösungen für die Technologie entstünden, könnte Berlin als neutraler Standort zum Zuge kommen, an dem bisher kein großer Autokonzern seinen Sitz habe.
Mit der geplanten Agentur, an der sich der Unternehmensverband, aber auch die Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner und einzelne Firmen beteiligen sollen, wolle Berlin für einen "begrenzten Zeitraum eine Welle schlagen", sagte Böhning. Erste Hinweise, ob Berlin berücksichtigt wird, liefert der Zwischenbericht der nationalen Plattform, der für November erwartet wird.