VDW warnt vor neuer „Apokalypse-Blindheit"

31.08.2013

 

VDW warnt  vor neuer „Apokalypse-Blindheit"

Edward J. Snowden wurde  in Berlin mit dem „Whistleblower-Preis 2013" geehrt

Bis auf den letzten Platz war am Freitagabend der  Leibnizssaal im Akademiegebäude am Gendarmenmarkt in Berlin besetzt. Bis auf einen Platz, der leer blieb: der des Preisträgers. Edward J. Snowden, der in Berlin mit dem „Whistleblower-Preis 2013" geehrt wurde, befindet sich untergetaucht irgendwo in Russland. Der Enthüller des NSA-Überwachungsskandals kann sich derzeit, zum Schutz der eigenen Person, nur im Verborgenen bewegen. Über einen Mittelsmann bedankte sich Snowdon per e-mail für die bedeutende Auszeichnung.

 

 

Verliehen wird der Whistleblower-Preis seit 1999 alle zwei Jahre von der  Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) t zusammen mit der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA.).  In diesem Jahr beteiligte sich erstmalig die Antikorruptionsorganisation Transparency International an der  Preisvergabe.

Prof. Dr. Ulrich Bartosch, Vorsitzender der VDW e.V., und Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende von Transparency International Deutschland e.V., gaben zu Beginn der Veranstaltung die Begründung, warum Edward Snowden in diesem Jahr den Whistleblower - Preis erhält: „Seiner mutigen Tat verdankt die Weltöffentlichkeit Einblicke in die Überwachungs- und Spionagetätigkeiten unserer Geheimdienste, von denen wir alle jederzeit

und ohne konkreten Verdacht betroffen sein können." Mit der Ehrung wollten die preisverleihenden Organisationen zugleich ihrer Forderung an die Bundesregierung Nachdruck verleihen, dem bedrängten US-Bürger Snowden einen sicheren Aufenthaltsort in Deutschland anzubieten - aus Überzeugung und aus Dankbarkeit. (Juristen verwiesen allerdings in der Veranstaltung darauf, dass einer Einreise Snowdons nach Deutschland die sofortige Überstellung in die USA folgen werde, wegen zugrunde liegender Rechtsabkommen.)

Bartosch verwies auch auf die von der VDW  tags zuvor beschlossene „Erklärung zu den Bedingungen  der Demokratie in der Digital-Welt", in der die  Wissenschaftler ihre Sorge  um die weitere Entwicklung unseres demokratischen Gemeinwesens ausdrückt. Darin fordert die VDW einen nationalen Gipfel unter Beteiligung von Wissenschaft und Zivilgesellschaft und die Einrichtung von Enquetekommissionen des Bundestages und des Europäischen Parlaments.

Edward Snowden  habe mit seinen Enthüllungen den Blick auf die neue Realität der Digital-Welt für uns alle freigegeben. Ulrich Bartosch:  „In einer monströsen Melange von ökonomischer Logik, militärischem Sicherheitsdenken und politischer Naivität lösen sich die Grundlagen unseres freiheitlichen liberalen Demokratieverständnisses nahezu unbemerkt und schmerzfrei auf. Als süßes Gift verabreichen wir uns täglich selbst die schleichend wirksame Dosis. Unsere freie Kommunikation durch die elektronischen Medien ist unbestreitbare Grundlage der modernen politischen und wirtschaftlichen Gemeinwesen. Zugleich ist die rechtliche Verfassung, die unsere Freiheit als Grundordnung bewahrt, offensichtlich für die neue Realität der Digital-Welt nicht mehr wirksam.  Uns beunruhigt zutiefst die neue Art von „Apokalypse-Blindheit", die uns umgibt. Mit dieser Umschreibung hatte Günther Anders vor Jahrzehnten die beängstigende Naivität der Öffentlichkeit gegenüber den großen existentiellen Fragestellungen des Atomzeitalters bezeichnet. Unsere Sorge ist nicht minder fundamental." 

 

Die Laudationes auf den Preisträger hielten Glenn Greenwald, Journalist, The Guardian (der per Skype aus Brasilien in die Versammlung geschaltet wurde), sowie Sonia Seymour Mikich, Fernsehmoderatorin und leitende Redakteurin beim WDR. An der Preisverleihung an Edward J. Snowden war auch RA Otto Jäckel, der Vorsitzender der IALANA e.V., beteiligt. Die Antwortrede für den Preisträger hielt Jacob Appelbaum, US-amerikanischer Internetaktivist und IT-Sicherheitsspezialist, der ebenfalls in Kontakt mit Snowden steht.

 

Den Festvortrag unter dem Titel „Überwachungsstaat Bundesrepublik Deutschland? - Historische Grundlagen und notwendige Konsequenzen"  hielt Prof. Dr. Josef Foschepoth von der Universität Freiburg. Im Mittelpunkt des Festvortrags standen  die weiten Handlungsspielräume für die Geheimdienste in Deutschland seit 1949  sowie die Fragen, wie es dazu kommen konnte und wie dies geändert werden kann.

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

 

http://www.vdw-ev.de/index.php/de-DE/aktuelles-und-veranstaltungen-der-vdw/205-berliner-erklaerung-zu-den-bedingungen-der-demokratie-in-der-digital-welt

 

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