29.12.2009
„Mit Förderkredit vorfinanzieren"
Der Vorstandsvorsitzende Ulrich Kissing über die Strategien der Förderbank in Krisenzeiten
Herr Kissing, seit gut 100 Tagen sind Sie Vorstandsvorsitzender der Investitionsbank Berlin (IBB ). Haben Sie schon eine Vorstellung, wo in Zukunft die Prioritäten der IBB liegen werden?
Hier fällt mir sofort das Stichwort „Industrie" ein. Wir alle wissen, dass Berlin mehr Industrie benötigt, um Beschäftigung und nachhaltiges Wachstum zu generieren. Deshalb sehe ich es als eine vorrangige Aufgabe an, mit der Investitionsbank Berlin den Bestand der Industrie und die Fortentwicklung der innovativen Wachstumsfelder der Stadt zu unterstützen. Um dies zu erreichen, werden wir unser darlehensbasiertes Fördergeschäft weiter ausbauen.
Apropos Darlehen: Sehen Sie vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise derzeit eine Kreditklemme in Berlin?
Tatsächlich bemerken auch wir als Förderbank die Auswirkungen der Krise und damit eine gewisse Zurückhaltung bei Anfragen nach Investitionsvorhaben. Das trifft auf die Größenordnung über 3 Millionen Euro zu. Bei der Anzahl der Finanzierungszusagen liegen wir Ende Oktober beim Vorjahreswert, beim Volumen 25 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres. Würden wir die große Konsortialfinanzierung in Höhe von 310 Millionen Euro für den Flughafen Berlin-Brandenburg International berücksichtigen, lägen wir deutlich über
dem Vorjahreswert.
Hat die IBB spezielle Angebote im Köcher, die Unternehmen in der Krise helfen können?
Ja. Ein Beispiel ist unser „IBB-Wachstumsprogramm", das wir entsprechend erweitert haben. Bisher war es so, dass Unternehmen über das Programm lediglich Investitionen finanzieren konnten. Jetzt können von dem Förderkredit auch solche Betriebe profitieren, die Geld benötigen, um damit Aufträge vorzufinanzieren, Kredite umzuschulden oder einfach nur, um Löhne und Gehälter trotz Umsatzflaute weiter bezahlen zu können.
Wie sieht es denn bei den Mikrokrediten aus? Sie waren ja seit ihrem Start im Jahr 2007 ein Renner unter den IBB- Produkten.
Zunächst einmal sieht bei uns die Praxis inzwischen so aus, dass Existenzgründer sowie kleine und mittlere Unternehmen seit einigen Wochen Mikrokredite bis zu einer Höhe von 25 000 Euro in einem vereinfachten Verfahren erhalten können. Bisher war dies nur bei Mikrokrediten bis zu einer Obergrenze von 10 000 Euro möglich. Gerade für Existenzgründer und bestehende kleine Unternehmen sind kurzfristige Finanzierungszusagen oft entscheidend. Eine positive Nachricht ist, dass die Wirtschaftskrise bisher keine nennenswerten Auswirkungen auf die Nachfrage nach Mikrokrediten hatte, weder nach oben noch nach unten. Im laufenden Jahr (Stand: 30.11.2009) hat die IBB 163 Mikrokredite mit einem Gesamt-Volumen von 1,46 Millionen Euro bewilligt. Damit wurden 174 Arbeitsplätze geschaffen. Knapp 20 Prozent der Anträge fielen in das Kompetenzfeld Medien- und Kulturwirtschaft. Gerade dort sind kleine Beträge oft wichtig für eine Gründung beziehungsweise den Fortbestand eines Unternehmens.
Welche Rolle spielen neben der rein finanziellen Förderung gegenwärtig die Beratungsleistungen der IBB ?
Die IBB stellt zahlreiche Formen von Beratungsleistungen zur Verfügung, so etwa das Technologie Coaching Center und das Kreativ Coaching Center. Hinzu kommen der Businessplan-Wettbewerb und natürlich die normale Beratung in den Kundenzentren der Wirtschafts- und Immobilienförderung. Damit kommt sie ihrem Förderauftrag sehr intensiv nach. Allein in diesem Jahr haben wir bereits mehr als 10.000 Beratungsgespräche - 6 600 in der Wirtschafts- und 4 000 in der Immobilienförderung - durchgeführt. Das sind beachtliche Zahlen.
Das Interview erschien zuerst in: Berliner Zeitung, 18.12. 2009 ( „Berliner Bankenjournal" )
Berlin braucht mehr Jobs und mehr Wachstum - Der Wirtschaftsstandort Berlin hat 2009 in zahlreichen Umfragen und Untersuchungen gut abgeschnitten, meist wegen der Zukunftsaussichten. Ulrich Kissing, neuer Chef der Investitionsbank Berlin, warnt im Interview mit der Morgenpost allerdings vor zu viel Optimismus.
Berliner Morgenpost, 28.12.2009
IBB-Chef im Interview: „Berlin muss die Wachstumslücke schließen"
Berliner Morgenpost, 28.12.2009
http://www.morgenpost.de/berlin/article1229656/Berlin-muss-die-Wachstumsluecke-schliessen.html
Berlin: Schlechter als der Rest
Der Tagesspiegel, 27.12.2009
http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/art271,2984703
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Von Frankfurt nach Berlin - Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der Investitionsbank Berlin (IBB), Ulrich Kissing - 06.11.2009
http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=737