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Diskussion über das Berliner Klimaschutzgesetz

09.09.2010


8. September 2010 - PE Grüne - auch hier  zu lesen

Die SPD muss sich beim Klimaschutzgesetz endlich entscheiden!

Michael Schäfer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Sprecher für Klimaschutz und Energiepolitik, sagt zur jüngsten Diskussion über das Berliner Klimaschutzgesetz:

Nur mit einem drastischen Kurswechsel des Senats kann Berlin noch in dieser Legislaturperiode ein vernünftiges Klimaschutzgesetz bekommen und so den enormen sozialen Sprengstoff entschärfen, der in den erwartbaren Heizkostensteigerungen der nächsten Jahre liegt. Klaus Wowereit muss jetzt den unterirdischen Entwurf von Senatorin Lompscher vom Tisch nehmen und seinem Senat verordnen, bis November einen Gesetzentwurf auf Basis des vernünftigen Vorschlags von BUND, Mieterverein und IHK vorzulegen. Nur wenn Wowereit in diesem Monat noch handelt, sind die für einen derart komplexen Gesetzesentwurf nötigen parlamentarischen Beratungen und Anhörungen noch durchführbar.

Wowereit hatte 2006 verhindert, dass ein fertiger rot-roter Gesetzentwurf zum Klimaschutz in Gebäuden vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde und seitdem den SPD-internen Konflikt um ein Berliner Klimaschutzgesetz ignoriert. Fachunkundige Hinterbänkler wie Sven Kohlmeier durften öffentlich erklären, dass sie jedem wirksamen Klimaschutzgesetz die rot-rote Mehrheit verweigern würden. Die für Bauen und Wohnen zuständige Senatorin Junge-Reyer dufte jede Mitarbeit verweigern. Der umweltpolitische Sprecher Buchholz durfte einen Parteitagsbeschluss für das BUND/Mieterverein/IHK-Modell herbeiführen, ohne dass dies irgendwelche Konsequenzen fürs Senatshandeln gehabt hätte. Michael Müller durfte die Angst vor Klimaschutzinvestitionen schüren. Finanzsenator Nußbaum durfte seine Aufgabe aus dem "klimapolitischen Arbeitsprogramm des Senats", ein Finanzierungskonzept für die Umsetzung des Klimaschutzgesetzes in den öffentlichen Gebäuden vorzulegen, jahrelang völlig ignorieren und dann öffentlich ein Veto gegen ein Klimaschutzgesetz einlegen.

Wer wie Senator Nußbaum und SPD-Chef Müller jetzt die Angst vor Klimaschutzinvestitionen schürt, treibt die Mieterinnen und Mieter in die Energiepreisfalle - das ist unsozial und unverantwortlich. Wir brauchen eine vorausschauende Politik, die Berlin unabhängiger macht von Öl, Kohle und Gas, weil diese Brennstoffe teurer werden und das Klima schädigen.

Die Berliner SPD muss sich endlich entscheiden: Will sie weiter wie Müller und Nußbaum die Augen vor der Energiepreisentwicklung einfach verschließen oder will sie mit uns Grünen, BUND, Mieterverein und IHK für ein wirksames Klimaschutzgesetz kämpfen, das die Klimainvestitionen anschiebt, die wirtschaftlich und sozial am günstigsten sind?

Die Modelle sind nicht kombinierbar:

Das "Stufenmodell" von BUND, Mieterverein und IHK unterscheidet sich grundsätzlich vom Lompscher-Entwurf. Das Stufenmodell ist klar in den CO2-Vorgaben und lässt den VermieterInnen die Möglichkeit, diese auf die wirtschaftlichste Art zu erreichen. Lompschers Entwurf setzt keine CO2-Einsparvorgaben, sondern macht Vorschriften, die zu Fehlinvestitionen führen, weil Klimaschutzmaßnahmen begünstigt werden, die sich gar nicht oder nur sehr langfristig für die Mieterinnen und Mieter bezahlt machen. Dazu kommt, dass Lompschers Gesetzesentwurf Ausnahmeregelungen für 70 bis 80 Prozent der Berliner Gebäude und ein Schlupfloch (vorfristiger Heizungsaustausch) für alle übrigen vorsieht und damit mehr Bürokratie als Klimaschutz erzeugt. Lompschers Entwurf ist damit anders als das BUND/Mieterverein/IHK-Modell kein Instrument, das die Berlinerinnen und Berliner vor den steigenden Wärmeenergiepreisen schützen wird.Offenbar plant Senatorin Lompscher nun einen Etikettenschwindel, indem sie irgendeine Stufenregelung in ihren Gesetzesentwurf einarbeitet, dies dann "Stufenmodell" nennt, aber die eigentlichen Kernpunkte des BUND/Mieterverein/IHK-Modells weiter ignoriert.

Lompschers Argumentation gegen das Stufenmodell bricht in sich zusammen

Senatorin Lompscher lehnt das Stufenmodell bisher vor allem mit der Behauptung ab, dass es landesrechtlich nicht umsetzbar sei. Diese Behauptung konnte sie bisher nicht durch ein unabhängiges rechtliches Gutachten unterfüttern. Im Gegenteil: Zwei Gutachten im Auftrag von BUND bzw. IHK belegen, dass ein Berliner Klimaschutzgesetz auf Basis des Stufenmodells juristisch abgesichert ist.

Mit dem Anfang der Woche vorgestellten Energiekonzept der Bundesregierung wird Lompschers Argumentation völlig entkräftet. Denn zu dem unverbindlichen Grünzeug, mit dem die Bundesregierung ihren irrsinnigen Atomkurs garniert hat, gehört eine "Modernisierungsoffensive für Gebäude", die das Berliner Stufenmodell im Grundsatz aufgreift. Die Bundesregierung hat diese Ankündigung nicht durch ein konkretes Gesetzesvorhaben unterlegt und wird dies voraussichtlich in ihrer Amtszeit auch nicht mehr tun. Gerade deshalb wäre es politisch geboten, dass der Berliner Senat sich endlich das Stufenmodell zu eigen macht und es umsetzt. Wenn unabhängige Rechtsgutachten tatsächlich doch noch Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Rechtsgrundlage im Erneuerbare Energien Wärme Gesetz (EEWärmeG) nicht für das Stufenmodell auf Landesebene ausreichen sollten, könnte sich Schwarz-Gelb einer entsprechenden Präzisierung des entsprechenden Paragrafen kaum entziehen.

Klimaschutz ist sozial: ein grüner 10-Punkte-Plan

Berlin kann sich den Verzicht auf Klimaschutz nicht leisten: Dass die Energiepreise durch die Wirtschaftskrise gebremst sind, sollte nicht vergessen lassen, dass der Ölpreisanstieg in der ersten Jahrshälfte 2008 den deutschen Durchschnittshaushalt 650 Euro gekostet hat. Der soziale Sprengstoff, der in dem zu erwartenden drastischen Energiepreisanstieg der nächsten Jahre liegt, kann nur durch Investitionen in Wärmedämmung, energieeffiziente Anlagen und erneuerbare Energien entschärft werden. Diese Investitionen führen langfristig zu niedrigeren Warmmieten, zunächst aber oft zu einem Anstieg der Warmmiete. Deshalb gehören Maßnahmen zur Abfederung dieser Mehrkosten insbesondere für einkommensschwache Haushalte jetzt zu den Kernaufgaben.

1. Der Senat muss einen Gesetzestext erarbeiten lassen, der das BUND/Mieterverein/IHK-Modell in seinen Kernpunkten umsetzt. Nur so werden die Mieterinnen und Mieter vor unnötigen Kosten durch Fehlinvestitionen geschützt.

2. VermieterInnen, die KfW-Fördermittel für die energetische Sanierung nutzen, müssen die Modernisierungsumlage deutlich reduzieren. Bisher werden KfW-Mittel in Berlin aber unterdurchschnittlich genutzt. Wir Grüne haben deshalb ein Konzept für eine Berliner Klimaförderungsstelle vorgelegt, die die Fördermöglichkeiten in Berlin bekannter macht und außerdem neutrale Informationen über kostengünstige Klimaschutzmaßnahmen in Gebäuden bereitstellt. Das muss der Senat jetzt umsetzen.

3. Um zu verhindern, dass ein Berliner Klimaschutzgesetz zu unzumutbaren Warmmietenanstiegen führt, wollen wir eine Härtefallregelung nach dem Vorschlag des Berliner Mietervereins ins Gesetz aufnehmen, die sicherstellt, dass das Gesetz keine Klimaschutzmaßnahmen verlangt, die ein bestimmtes Maß der Heizkostenersparnis nicht überschreiten. Der Preis dafür ist, dass das Gesetz weniger wirksam ist, wenn der Bund bei seinen Fördermittelkürzungen für energetische Gebäudemodernisierung bleibt. Dies ist unvermeidlich, weil das Land die Kürzungen aufgrund der Haushaltslage nicht ausgleichen kann.

4. Um einer Segregation von Hartz IV-Haushalten entgegen zu wirken, müssen energetische Standards von Wohnungen bei der Angemessenheitsprüfung der Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden. Wir wollen mit der Novellierung der AV Wohnen einen Klimabonus einführen. Einen solchen Klimabonus gibt es bereits in etlichen Städten, u.a. in Bielefeld, Dortmund, Lübeck und Münster. Dort sind die Richtwerte für angemessene Unterkunftskosten nach energetischen Gebäudekriterien angepasst worden. Der Klimabonus wird Leistungsberechtigten gewährt, die einen Nachweis über den entsprechenden Energieverbrauchswert des Gebäudes vorlegen, in dem sich ihre Wohnung befindet. Es ist unverständlich, dass der Senat bei der ohnehin in diesem Jahr fälligen Novellierung der AV Wohnen diese guten Beispiele nicht aufgreift.

5. Wir wollen im Rahmen des Klimaschutzgesetzes ein Gutschriftenmodell umsetzten, mit dem Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer, die ihre Verpflichtungen übererfüllen, finanziell von anderen unterstützt werden, die ihre Verpflichtungen nicht erfüllen. Das würde die volkswirtschaftliche Effizienz des Gesetzes weiter erhöhen. Die umfassende Sanierung eines Gebäudes würde dadurch finanziell begünstigt, die Steigerung der Kaltmiete abgemildert. Für die Nichterfüllung von Klimaschutzvorgaben würden dadurch Kosten entstehen, die nicht auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden können. Ein solches Modell war im ersten Lompscher-Entwurf enthalten, der Senat hat es ungeprüft fallen gelassen. Wir setzen uns für eine fundierte Prüfung der Machbarkeit ein.

6. Mit unserem Bürgschaftsmodell haben wir aufgezeigt, wie der Senat ohne Belastung des Landeshaushalts zusätzliche zinsverbilligte Kreditangebote für die energetische Sanierung mobilisieren kann und gleichzeitig die Bedingungen für faire Contracting-Modelle in Berlin verbessert. Das wollen wir weiterentwickeln und umsetzen, um so die umlagefähigen Modernisierungskosten weiter zu reduzieren.

7. Den unsinnigen rot-roten Plan einer Abwrackprämie für Heizkessel aus Landesmitteln wollen wir beerdigen, weil diese enorme Streuverluste hat und nicht zielgerichtet einkommensschwachen Haushalten zugute kommt. Stattdessen muss der Wirtschaftssenator endlich seine Aufgabe aus dem "klimapolitischen Arbeitsprogramm des Senats" umsetzen und neue Förderprogramme der IBB für Klimaschutz an Gebäuden auflegen. Neue Förderprogramme müssen nach unserer Überzeugung gezielt einkommensschwachen Haushalten ermöglichen, in energetisch sanierten Gebäuden wohnen zu bleiben.

8. Der Berliner Senat muss ein Konzept für ein Klimawohngeld auf Bundesebene erarbeiten und dies in die anstehende Entwicklung des Energieeffizienzfonds und neuer Förderprogramme wie die des "kommunalen Förderprogramms energetische Städtebausanierung" für die energetische Sanierung einbringen. Ein Ergebnis könnte sein, dass das Land Berlin Modellregion für ein Klimawohngeld wird, weil es mit dem Stufenmodell ein Klimaschutzgesetz beschließen würde, das weit über die Aktivitäten der anderen Bundesländer hinausgeht. Gerade nach der Ankündigung des klimapolitisch verantwortungslosen Energiekonzepts der Bundesregierung brauchen wir Bundesländer, die Schwarz-Gelb energiepolitisch vor sich her treiben. Dazu gehört es, die wenigen guten Ansätze aus dem Energiekonzept, die vor allem im Wärmebereich zu finden sind, aufzugreifen.

9. Um die Mieterinnen und Mieter vor unnötigen Luxusmodernisierungen zu schützen und Modernisierungen auf energetische Maßnahmen zu fokussieren, muss das Bundesmietrecht entsprechend geändert werden: Die 11-Prozent-Mieterhöhung bei Modernisierung in der bisherigen Form soll abgeschafft und stattdessen eine niedrigere Klimaschutzumlage eingeführt werden. Umlagefähig sollen Maßnahmen sein, die im Sinne des Energieeinspargesetzes, des Erneuerbare-Energien-Wärmegesetzes und der Energieeinsparverordnung zur Einsparung von Primärenergie führen.

10. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus will die wirtschaftlichsten Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, die bisher in Senatorin Lompschers Gesetzentwurf fehlen. Zum Beispiel verbraucht die Mehrzahl der Heizungsanlagen viel mehr Energie als nötig, weil sie eineveraltete Pumpe mit überdimensionierter Leistung haben und weil kein guter hydraulischer Abgleich gemacht wurde. Hier lassen sich bei geringen Kosten große Mengen Energie einsparen. Eine entsprechende Wartungspflicht lässt sich einfach umsetzen und kommt den Mieterinnen und Mietern direkt zugute.

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