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Die Hauptstadtregion als Experimentierfeld

29.03.2012

 

Cluster-Konferenz Verkehr, Mobilität und Logistik diskutierte Stärken und Schwächen

Auf der Clusterkonferenz am 21.3.2012 stellten sich die fünf Branchen mit Impulsreferaten ihrer Handlungsfeldsprecher vor.  

Teil 1 hier: http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3224

Michael Clausecker, Mitglied der Geschäftsführung von Bombardier Transportation und künftiger Sprecher des Handlungsfeldes, berichtete vom jüngsten Treffen der Bahntechnik-Akteure Anfang März. Clausecker war in den Jahren seit 2001  Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Bahnindustrie, später in gleicher Funktion für den europäischen Verband in Brüssel tätig und besitzt somit über umfassende Branchenkenntnisse. Die Schienenverkehrstechnik. Die Region verfügt über eine gute industrielle Basis, etwa mit dem internationalen Hauptquartier der Bahntechniksparte von Bombardier mit 500 Beschäftigten in der Berliner Zentrale und 2800 Mitarbeitern in den Hennigsdorfer Fabriken, aber auch mit der stark expandierenden Produktion von Stadler Pankow. In Hennigsdorf findet das weltweite Engineering für die nächste Generation der Hochgeschwindigkeitszüge statt, die als nächstes in China und Italien zum Einsatz kommen.

Zu den Verbesserungspotenzialen sagte Clausecker,  die Branche wünsche sich „mehr Zulieferer in der Region", auf den Ebenen TIER-1 und TIER-2. Von Vorteil wäre es auch, wenn sich in Berlin neue Verkehrstechnologien praktisch im Einsatz demonstrieren ließen, die von den Unternehmen dann verkauft werden können. „Wir könnten hier die Zukunft des Verkehrs vorführen", sagte Clausecker. Ein weiteres Aktionsfeld ist die EU-Ebene. Hier habe der europäische Bahn-Verband einen Vorschlag für ein europäisches Forschungsprogramm für die Bahntechnik in der Größenordnung von 600 bis 800 Mio Euro erarbeitet und der EU-Kommission vorgeschlagen. Vergleichbare Programme gebe es bereits für die Luftfahrt und Automotive. Auf nationaler Ebene sei die größte Herausforderung für die Bahntechnik im Ausbau der Infrastruktur, des Schienenetzes, zu sehen. Deutschland gebe mit 4 Mrd Euro pro Jahr für diesen Bereich viel zu wenig aus. England und Spanien investierten jeweils rund 10 Mrd Euro in die Ertüchtigung ihrer Schienennetze. Hier agiere Deutschland nicht nachhaltig. Und wenn gebaut werde, dann geschehe es zu langsam. Wenn die Modernisierung der Strecke Berlin-München 20 bis 25 Jahre in Anspruch nehme, sei dies zu langwierig, bemängelte Clausecker.

Aber auch in den Städten stellen sich Aufgaben. So die Frage, wie sich der Schienenverkehr noch harmonischer in das Stadtgefüge integrieren lässt, etwa durch eine Energieübertragung ohne Oberleitungen. Neue Formen der kontaktfreien Energieversorgung (Induktion) könnten in Berlin hervorragend demonstriert werden, war eine Anregung Clauseckers.

Burkhard Heise,  bei der IAV Automotive Engineering in Berlin für die Bereiche Marketing, recht sowie FuE zuständig, gab die aktuelle Diskussionslage in der Branche Automotive wieder. Zu den Stärken der Region zähle die Forschung und Entwicklung, deren weitere Vernetzung voranzutreiben sei: „Die guten Forscher müssen sich alle kennen". Ein  Pluspunkt für Auftraggeber sei auch das Gehaltsniveau. Heise wählte dafür die die Formulierung: „nach wie vor können Zulieferer aus Berlin-Brandenburg mit vergleichsweise niedrigen Stückkosten kalkulieren". Zu den Schwächen müsse das Studienangebot der Region gezählt werden, das in den technischen Fächern „nicht nachfrage- und bedarfsorientiert" sei. Die Absolventenzahlen entspreche bei weitem nicht dem Personalbedarf der Branche. Heise drastisch: „Die Situation ist verheerend". Hier gebe es dringenden Handlungsbedarf.

Ein weiteres Manko sei darin zu sehen, dass die „Berlin-Brandenburger Kompetenzen nicht ausreichend sichtbar" seien. „Wir können viel, aber es ist davon nicht genug zu sehen". Dieser Punkt deckte sich mit Clauseckers Wunsch nach Show-Cases. „Die Fokussierung fehlt", sagte Heise. „Wo sind wir Nummer Eins und wo können wir es werden?"

Chancen seien darin zu sehen, dass die Hauptstadtregion „mehr Experimentiermöglichkeiten" biete als die klassischen Automobilregionen. Hier könnte eine „Wertschöpfungskette für Nischen-Fahrzeuge" überlegt werden. Auch der freiwerdende Standort Tegel käme für eine Nutzung mit Automotive-Bezug  in Frage.

Zur Konkretisierung schlug Heise namens des Handlungsfeldes mehrere „prioritäre Projekte" vor, die alsbald in Angriff genommen werden sollten. Darunter „urbanspezifische Produkte der Elektromobilität", die definiert, umgesetzt und exportiert werden sollten. Weitere Projekte könnten die Schnittstelle von Fahrzeugtechnik und IKT bearbeiten,  sowie andere Querschnittsthemen (Werkstoffe/Leichtbau, Energieeffizienz, EMV, Testen und Simulation). Nicht zuletzt habe auch das „Sichtbarmachen der Alleinstellungsmerkmale der Region" eine Dringlichkeit. Diese USPs müssten aufgeschrieben und kommuniziert werden. Heise: „Das ist ein weicher, aber ein wichtiger Faktor".

Prof. Herbert Sonntag von der Technischen Hochschule Wildau gab einen Bericht für die Logistik-Branche und das Netzwerk, dem inzwischen 60 Unternehmen und Einrichtungen angehören. Sonntag gehörte in den 70er Jahren zu den Gründern der IVU Traffics  und war 25 Jahre deren Geschäftsführer, bis er 2002 den Ruf als Professor für Verkehrstechnik an die TH Wildau erhielt. Seit 2010 ist er Vorsitzender des Logistik-Netzwerks Berlin-Brandenburg LNBB. In seiner SWOT-Analyse stellte Sonntag als „Fakt1" fest, dass das regionale primäre Logistikaufkommen stagniere, weil es in der Region auch kein Bevölkerungswachstum gebe. Fakt 2 laute deshalb, dass die Wachstumschancen im überregionalen Logistikaufkommen  liegen, wie sie etwa mit dem neuen Flughafen BER einhergehen. Faktum 3 sei in der Einbindung der Informations- und Forschungs-Logistik zu sehen.

Im weiteren ging Sonntag auf den Status der regionalen Logistik ein (180.000 Arbeitsplätze) und bisherige größere Projekte wie den Seehafenhinterlandverkehr, die Nord-Süd-Initiative und das Standort-Marketing. Themen mit Zukunftspotential seien die Nutzung des Verkehrsmanagements auch für den Wirtschaftsverkehr („intelligente Transportsysteme") sowie die Sicherheit in der Lieferkette.

Dr. Matthias Schmidt vom Fraunhofer-Institut FIRST in Adlershof gab den Diskussionsprozess im Handlungsfeld Verkehrstelematik wider. Hierzu gebe es gute technische Voraussetzungen, wie etwa über 1.100 Verkehrsdetektionseinrichtungen im Berliner Hauptstraßennetz. Der ÖPNV  transportiere täglich 2,47 Mio Menschen auf 1007 Bus- und Bahnlinien über eine Entfernung von 322 Mio Personen-Kilometer. Das Ziel der Branche ist es, laut Schmidt, in Berlin Europas modernstes Verkehrsmanagement zu etablieren und einen ÖPNV, der seine Attraktivität dank Telematik steigert. Hierzu zählen auch neue Entwicklungen der Computer- und Internet-Technik wie Cloud Based Verkehrs-Telematik-Services.

Was in Berlin noch fehle, sei die Koppelung der Daten, etwa von IV und ÖV. Schmidt: „Wir brauchen multimodale Transportketten". Das Coopers-Projekt habe den Umgang mit sehr aktuellen Verkehrsdaten durchgespielt. Gleichzeitig sei deutlich geworden, dass es noch immer an grundlegender Standardisierung fehle, um zu besserer Integration zu kommen.

Das fünfte Handlungsfeld Luft- und Raumfahrt konnte aus terminlichen Gründen mit keinem Referenten besetzt werden. Ersatzweise führte die Netzwerkmanagerin Frau Dr. Reisinger einen Imagefilm vor, der die Branche mit 120 Unternehmen  mit 22.000 Arbeitsplätzen, davon 5500 in der Industrie und einem Umsatz von 2,1 Mrd Euro, porträtierte. Sieben Unternehmen aus der Region arbeiten am Bau des Airbus A380 mit.

Chancen für die Zusammenarbeit mit der Luft- und Raumfahrt gebe es in den Themenpunkten Leichtbau, Logistik, Sicherheit und IT. Aufgrund der Marktstruktur sei die Internationalisierung ein hervorgehobenes Thema für das Themenfeld. Die erste Handlungsfeld-Konferenz unter dem neuen Cluster-Dach steht Anfang April bevor.

Weitere Vorträge hielten Prof. Bernd Viehweger von der Panta Rhei GmbH in Cottbus zum Thema „Leichtbau in der Verkehrssystemtechnik - das Potenzial neuer Werkstoffe und Verfahren" sowie Stefan Mathews von der IHK Berlin, der „Strategien und Angebote zur Fachkräftesicherung" vorstellte.   

Thomas Meißner TSB vom  Clustermanagement Cluster VML stellte abschließend die Aktionen und Angebote des Clustermanagements  für Unternehmen und Institute dar.

Manfred Ronzheimer

 

 

 

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