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Geheimer Medienstreik in Deutschland

13.06.2012

Geheimer Medienstreik in Deutschland

Kommentar zum Transformationskongress in Berlin

Am vergangenen Freitag haben die deutschen Tagesmedien entschieden, keine Berichte über den Transformationskongress von Naturschützern, Gewerkschaften und Kirchen in Berlin zu bringen, ungeachtet seiner Größe (900 Teilnehmer) und seiner politischen Bedeutung. Der Nachrichtenstreik wurde auch am Samstag, als Umweltminister Altmaier und andere Parteigranden sich dort zu Energiewende und Rio äußerten, strikt durchgehalten. Einzige Streikbrecher waren das Neue Deutschland, der Deutschlandfunk, und InnoMonitor. Hier unser erster Bericht (weiterer folgt):

http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=3303

Über die Gründe für den Nachrichtenstreik hüllen sich die Verantwortlichen in Schweigen. Angeblich, so lautet eine Erklärungsversion, hätten die Medien keinen Platz für die Berichterstattung über den Kongress gehabt, weil dieser für den Afghanistan-Teppich von Entwicklungsminister Niebel gebraucht worden sei. Wenn dem so ist, muss man die Frage nach den Prioritäten stellen: Welche Nachricht ist für den Leser wirklich wichtig? Dass sich einseitig ALLE Tagesmedien gegen den Transformationskongress ausgesprochen haben und nicht 80:20 oder 50:50,  spricht gegen diese These. Bei freier Entscheidung hätte es in Deutschland mindestens 20 Prozent an Zeitungen geben müssen, die sagen, der Umweltkongress ist wichtiger als der Ministerteppich. Warum also die Totalblockade?

Wir machen uns in den kommenden Tagen auf die Recherche, was die tieferen Gründe sind. Möglicherweise handelt es sich um einen breiteren Systemdefekt. In der vorigen Woche hatten wir bereits Anlaß, auf die Ausblendung von Umweltthemen in den deutschen Medien ausgerechnet in der Woche der Umwelt hinzuweisen. Mit solchen Medien ist natürlich eine Energiewende nicht hinzubekommen. 

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor

 

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 ÖADS – oder: Wo sind die Umwelt-Themen geblieben?

Kommentar vom 5.6.2012

Berlin hat schon seit einiger Zeit eine soziale Störung, deren Zunahme ich mit Sorge registriere (und teils auch dagegen anarbeite): Ich nenne es mal das Öffentlichkeits-Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom. Bestimmte Gegebenheiten und Ereignisse in der Öffentlichkeit / im gesellschaftlichen Raum werden von den öffentlichen Medien nicht mehr wahrgenommen. Das Schlimme: Diese blinden und tauben Zonen werden immer größer. Wie beim Ozonloch.

Am Anfang fiel mir das noch in einer ziemlich schmalen Sparte auf, die ja nun in der Tag kein Attraktionsthema für die Massen ist, das aber früher immer noch mal ab und an, in der Nische, stattgefunden hat: nämlich die Innovationspolitik und das Geschehen in der Innovationsstadt Berlin. Bald schon erstreckte sich diese Nicht-Beachtung, wie ich feststellen musste, auch auf die Wissenschaft und erhebliche Teile der Wirtschaft, vor allem der regionalen mittelständischen Wirtschaft. Diese Themen finden in der heutigen Publizistik kaum noch statt, und auf jeden Fall nicht entsprechend ihrer realen Bedeutung. Nennenswerte Teile der Realität werden nicht wahrgenommen, werden nicht kommuniziert, finden keinen Zugang ins Gesellschaftliche Bewusstsein, das Kognitive Soziale Nervensystem sozusagen. Wie soll ein Organismus da realitätswirksam handeln können?

Was mich einigermaßen entsetzt, das ist der qualitative Verschlechterungssprung, der offenbar in dieser Woche stattfindet, die ja thematisch der Umwelt und der Nachhaltigkeit gewidmet ist. Im Unterschied zu den vielfältigen Aktivitäten, die dazu real in der Stadt stattfinden, gibt es eine katastrophal unterwertige Berichterstattung durch die Medien, deren Berufsauftrag es ja eigentlich ist, die Welt „draußen“ darzustellen. Es wird aber kein reales Bild gezeichnet. (Beispiele reiche ich nach, wenn gewünscht.

Wenn jetzt noch die Öko-Themen herausfallen aus dem Berichtsspektrum, hat das ÖADS ein Ausmaß angenommen, das reif ist für den Arzt.
(Und eigentlich auch reif für den aufgeklärten Leser, der sich diese schleichende Entwertung seiner Abo-Gebühren nicht bieten lassen sollte. Wie bei einer schlechten, kaum benutzbaren Wohnung Mietminderung die Folge ist, sollten die Leser ihre Abo-Gelder solange kürzen, bis wieder eine ordentliche Berichterstattung stattfindet.) Aber das nur in Paranthese, weil es zur Besserung der Situation wenig beitragen dürfte. Was wir brauchen ist … ja, was? Frage an Euch, jetzt mal.

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor

 

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