"Fair Trade" kommt beim Verbraucher an
18.09.2009
Unternehmen nutzen zunehmend den fairen Handel für ihre Vermarktungsstrategie
Das große wirtschaftliche Potential fair gehandelter Produkte hat die IHK Berlin zum Anlass genommen, am 14. September 2009 im Rahmen einer Veranstaltung über fairen Handel zu informieren und zu zeigen, wie Berliner Unternehmen mit Fair Trade Erfolg haben. Die Veranstaltung, die aktiv von Wirtschaftsstaatssekretärin Almuth Nehring-Venus unterstützt wurde, fand im Rahmen der sog. „Fairen Woche" statt, einer Aktionswoche des Forum Fairer Handel, in der deutschlandweit über 3.500 Veranstaltungen zu dem Thema durchgeführt werden.
Fair gehandelte Produkte finden in Deutschland immer mehr Akzeptanz. Seit dem Jahr 2004 steigt der Umsatz kontinuierlich, in den vergangenen zwei Jahren sogar mit Wachstumsraten von jeweils über 30 Prozent. Bei einzelnen Produktgruppen ist sogar ein noch höheres Wachstum zu verzeichnen: Der Absatz von fair gehandelten Fruchtsäften ist beispielsweise um 80 Prozent gestiegen.
Podiumsdiskussion
Auch in der von Wolf-Diedrich Braun (links) moderierten Podiumsdiskussion mit Experten aus Wirtschaft und der Fair Trade-Szene wurde deutlich, dass im fairen Handel noch ein enormes Potenzial steckt. | Foto: Michael Brunner
Einer Studie der Unternehmensberatung Good-Brand & Co. zufolge will jeder zweite deutsche Verbraucher inzwischen wissen, unter welchen ökologischen und sozialen Bedingungen Produkte hergestellt werden. Daher greifen die Konsumenten immer häufiger zu fair gehandelten Erzeugnissen, auch wenn diese oftmals teurer sind.
Zwar ist der Gesamtumsatz fair gehandelter Produkte, bei denen es sich zum Großteil um Lebensmittel handelt, mit 266 Mio. Euro im Jahr 2008 immer noch vergleichsweise gering. Dennoch bietet das Wachstum in diesem Nischenmarkt enorme Chancen für die beteiligten Unternehmen - auch in Zeiten der aktuellen Weltwirtschaftskrise. Im Gegenteil: Lebensmittel mit einem Fair Trade-Siegel verzeichnen auch aktuell noch ein beeindruckendes Wachstum. „Nachhaltiges Wirtschaften ist auch in der Krise erfolgreich", sagt Dr. Hans Christoph Bill, Vorsitzender des Forum Fairer Handel e.V., über die positive Absatzentwicklung. Er betont: „Gerade jetzt stellt der Kauf fair gehandelter Produkte für die Produzenten eine enorme Unterstützung dar!" Tatsächlich beeinflusst die Wirtschaftskrise bislang kaum die Bereitschaft der Menschen, fair gehandelte Produkte zu kaufen. Das zeigt auch eine aktuelle Verbraucherstudie im Auftrag des Forum Fairer Handel. 44 Prozent der im März Befragten gaben an, fair gehandelte Produkte zu kaufen. Das entspricht im Vergleich zu 2007 einem Anstieg um 6,7 Prozentpunkte bzw. 4,3 Mio. Neukundinnen und -kunden.
Mehr als nur Gewinnmaximierung
Dass es neben dem wirtschaftlichen Potential für Fair Trade aber auch noch ein weiteres starkes Argument gibt, betonte Antje Meyer, Präsidiumsmitglied der IHK Berlin und Vorsitzende des Arbeitskreises CSR (Corporate Social Responsibility) der IHK Berlin, gleich zu Beginn in ihrer Begrüßung der Teilnehmer: „Verantwortungsvolles Unternehmertum bedeutet mehr als bloß Gewinnmaximierung. Vielmehr gehört dazu auch, Verantwortung über den gesetzlich festgelegten Rahmen hinaus zu übernehmen - durch die Ausbildung junger Menschen, durch die Förderung von Kultur oder Sport, durch den Schutz der Umwelt oder eben auch dadurch, dass Produkte verkauft werden, die unter menschenwürdigen Umständen entstanden sind."
Tobias Tuchlenski, Regionsmanager Region Berlin/Umland der Kaiser's Tengelmann AG, stellte zunächst das Fair Trade-Konzept des Marktführers unter den Berliner Supermärkten dar. Auch bei Kaiser's ist der Umsatz von fair gehandelten Produkten im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. Allerdings spielen Fair Trade-Produkte hier noch keine zentrale Rolle, zudem ist nach Standorten zu differenzieren: Während fair gehandelte Produkte in den Filialen in den Bezirken Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg sehr erfolgreich laufen und von den Kunden im Sortiment regelrecht erwartet werden, ist die Nachfrage in anderen Bezirken deutlich schwächer ausgeprägt. Auffallend ist hierbei, dass die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten nicht unbedingt vom Einkommen abhängt, sondern eher von der Lebenseinstellung der Verbraucher.
Gespanntes Publikum
Gespannt folgten die Teilnehmer den Erfahrungsberichten von Unternehmen, die im Fair Trade-Handel tätig sind.
Tuchlenski verwies allerdings auch darauf, dass sich fairer Handel nicht nur auf den Handel mit Produzenten in Entwicklungsländern beschränken dürfe. Daher bietet Kaiser's unter der Marke „VON HIER" umweltschonend hergestellte Produkte von Produzenten aus Berlin und Brandenburg an.
Winfried Damerius, Geschäftsführer zweier Blumenfachgeschäfte in Mitte und Präsident des Fachverbandes Deutscher Floristen, Landesverband Berlin/Brandenburg e.V., betonte die Bedeutung des fairen Handels im Bereich der Floristik. Er appellierte, das Bewusstsein der Verbraucher für fair gehandelte Produkte zu schärfen und damit zugleich einen Beitrag zum Gesundheits- und Umweltschutz in den Ländern der Produzenten zu leisten. Vielfach sei noch unbekannt, unter welch schlechten Bedingungen herkömmliche Blumen in Entwicklungsländern angebaut werden. Hier sei eine bessere Aufklärung der Verbraucher über die im Bereich der Floristik bestehenden Siegel eines fairen und ökologischen Handels unbedingt erforderlich. Gleichwohl werden im Bereich Floristik auch aus Imagegründen bereits heute fair gehandelte Blumen angeboten.
100 Prozent "Fair Trade" funktioniert
Dass ein Unternehmenskonzept in bestimmten Bereichen aber auch mit 100 Prozent fair gehandelten Produkten erfolgreich funktionieren kann, stellten schließlich Judith Finsterbusch und Monika Lesinski, die Geschäftsführerinnen von wertvoll, einem Modegeschäft in Prenzlauer Berg, vor. Der noch junge Laden der beiden Designerinnen zieht bereits wenige Monate nach seiner Eröffnung Kunden aus dem ganzen Stadtgebiet an. Außerdem werden über das Internet Kunden erreicht, für die der Weg nach Prenzlauer Berg zu weit ist.
Deutlich geworden ist auf der Veranstaltung, dass fair gehandelte Produkte unbedingt als solche vermarktet werden sollten, um mit günstigeren Artikeln konkurrieren zu können. Interessierte Unternehmer können Unterstützung von verschiedenen Organisationen und Netzwerken erhalten. Drei Institutionen haben sich und ihr Angebot auf der IHK-Veranstaltung am 14. September 2009 vorgestellt.
Der Verein zur Förderung des Fairen Handels mit der Dritten Welt e.V. mit Sitz in Köln - besser bekannt als TransFair - vergibt in Deutschland das begehrte Fair Trade-Siegel an Lizenznehmer, die fair gehandelte Produkte vertreiben wollen. TransFair ist über die Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) weltweit vernetzt und in Deutschland sicherlich der erste Ansprechpartner in Fragen des fairen Handels.
Dem Ziel eines nachhaltigen Konsums hat sich die Verbraucher Initiative e.V. verschrieben, ein Verein, der sich mit finanzieller Unterstützung der Bundesregierung mit seinem Internetportal „oeko-fair.de" für ökologische und sozial gerechte Konsumalternativen einsetzen.
Auf besonders großes Interesse stieß schließlich die Vorstellung des Global Compact der Vereinten Nationen durch Constanze Helmchen von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Dieser Katalog von Prinzipien, die sich auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, auf die Erklärung über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), auf die Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung von 1992 sowie auf die UN-Konvention gegen Korruption aus dem Jahr 2003 stützt, verschafft Unternehmen die Möglichkeit, ihr nachhaltiges Wirtschaften durch die Abgabe einer Selbstverpflichtung nach außen deutlich zu machen.
Der Erfolg des fairen Handels in den letzten Jahren zeigt deutlich, dass eine gewinnorientierte Wirtschaft möglich ist, die zugleich Menschenrechte und die Umwelt respektiert. So garantiert Fair Trade weltweit 1,6 Millionen Produzenten und deren Familien wichtige ökonomische Vorteile wie einen garantierten Mindestpreis oder die Möglichkeit zur Vorfinanzierung der Ernte. Fairer Handel ermöglicht ihnen auch, in ihre Zukunft zu investieren. Die Entwicklung der letzten Jahr lässt hoffen, dass der eingeschlagene Weg erfolgreich fortgesetzt wird.
Quelle: Bericht mit Bildern auf der IHK Website hier zu lesen