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Green Economy: Fortschritt aus Berlin

07.12.2009


Alles im grünen Bereich

Innovationsfaktor Umweltschutz
LED „glüht" in der Gaslaterne
Berlin ist Vorreiter
Steuerung für Wasserbetriebe
Starthilfe für junge Firmen
Viel Potenzial in Marzahn


Titelthema der Berliner Wirtschaft - Dezember  2009  - auch hier zu lesen


Keine andere deutsche Großstadt hat mehr Beschäftigte in der Green Economy als Berlin. Ob Produzenten von Solarmodulen, IT-Spezialisten oder Wissenschaftler: Die Branche boomt - und hofft auf weiteren Zuwachs.

Aufmacherfoto
Zukunftsträchtig: Das GSW-Hochhaus in Kreuzberg hat eine Energiesparfassade; die Straßenlampen in Berlin werden sukzessive auf LED-Leuchten umgestellt. | Foto: vdfs 

Er wird immer wichtiger und zahlt sich aus - der Innovationsfaktor Umweltschutz. Die besondere Stärke Berlins als Umwelttechnikstandort liegt dabei vor allem in der Verknüpfung von innovativen Forschungsergebnissen und deren Anwendung in der Wirtschaft: In Unternehmen, die am Markt neue Technologien und Konzepte im Umwelt- und Energiebereich anbieten. Und mit Unternehmen, die im eigenen Haus Klimaschutzziele verfolgen, innovative Technologien anwenden und mit Effizienzmaßnahmen Ressourcen und Kosten sparen. Die Entwicklungsaussichten für Berlin sind ausgezeichnet. Schon jetzt arbeiten in keiner deutschen Stadt mehr Beschäftigte in der sogenannten Green Economy.

Jeder 20. grüne deutsche Arbeitsplatz ist in Berlin angesiedelt - mit rund 42 000 Beschäftigten. „Unsere GreenTech-Industrie verzeichnet hervorragende Wachstumsraten von rund 20 Prozent in den vergangenen vier Jahren", bilanziert Wirtschaftssenator Harald Wolf. Gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften hat sich der Senat in der Wachstumsinitiative „Berlin 2004-2014" vorgenommen, Berlin auf diesem Zukunftsfeld zur Nummer eins in Deutschland zu machen.

LED „glüht" in der Gaslaterne

Innovative Umwelttechnologien bieten neben Lösungen gegen Ressourcenverknappung große Wettbewerbsvorteile, sichern damit Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Gerade in diesem Bereich gibt es in Berlin eine Vielzahl von guten Beispielen - auch von kleinen und mittleren Unternehmen. So produziert die Firma Braun Schaltgeräte und Service zum Beispiel Gas- und Elektroleuchten nach historischem Vorbild mit hocheffizienten LED-Leuchten. Für die Beleuchtungstechnik kommen Schaltsysteme zum Einsatz, deren Strom aus Solarzellen gespeist wird. Ein weiteres Beispiel liefert die im Jahr 2005 gegründete Firma eRockit, die ein völlig neues Zweiradkonzept entwickelt hat. Das neuartige Mensch-Maschine-Hybridmotorrad funktioniert wie ein Fahrrad und erbringt durch Muskelkraftmultiplikation die Leistung eines Motorrads.

Auch etablierte Berliner Unternehmen bringen grüne Innovationen auf den Markt. So hat die 100 Jahre alte Karl- Weiss-Technologieunternehmen GmbH & Co. KG, die im Hoch- und Tiefbau tätig ist, vor kurzem erfolgreich ein neues Verfahren zur Sanierung von Trinkwasserleitungen entwickelt und angewendet. Dadurch werden rund 90 Prozent der Erd- und Oberflächenarbeiten und damit erhebliche CO2-Emissionen eingespart.

Berlin ist Vorreiter 

Im Bereich der Erneuerbaren Energien ist Berlin in einer Vorreiterposition. Kaum ein Hersteller von Solarzellen weltweit, der nicht auf Automatisierungslösungen der Jonas & Redmann GmbH setzt. Die Spezialmaschinenbauer aus Charlottenburg sind 1999 in die Photovoltaik-Branche eingestiegen. Inzwischen beschäftigen sie mehr als 600 Mitarbeiter. Ihre Spezialitäten sind Material schonende Handlingsysteme, hochpräzise Techniken zur Positionierung der empfindlichen Solarzellen sowie integrierte Systeme zur Qualitätskontrolle, die den Herstellungsprozess kontinuierlich optimieren.

Ein weiteres Beispiel für die starke Innovationskraft in Berlin ist die Continental AG. Der mit mehr als 24 Mrd. Euro Jahresumsatz zu den weltweit führenden Automobilzulieferern zählende Konzern hat Berlin (Moabit) zu seinem Entwicklungsstandort für alternative Antriebstechniken erkoren. Hier werden Komponenten für Hybrid- und Elektrofahrzeuge entwickelt, zu Mustern zusammengebaut und getestet. Wie beispielsweise die neueste Generation von Lithium-Ionen-Batterien mit deutlich erhöhter Speicherdichte, die heute bereits im Mercedes Benz Blue- Hybrid eingesetzt werden.

Die Basis für solche Entwicklungen liefert die Grundlagenforschung. Und hier bietet Berlin, auch im Umweltbereich, eine hervorragende Forschungslandschaft. Mindestens 25 wissenschaftliche Institute forschen an umweltrelevanten Themen. Die Technische Universität hat vor zwei Jahren all ihre Aktivitäten auf dem Gebiet der Energieforschung interdisziplinär in einem Innovationszentrum Energie (IZE) gebündelt. Forschungsschwerpunkte sind effizientere Gasturbinen, Dünnschicht- und Nanotechnologien für die Photovoltaik, Nutzung von Niedertemperaturwärme oder energiesparsame Städte (Siehe Interview Seite 14). Die Freie Universität (FU) richtet ihren Fokus im Forschungsbereich auf Fragen der nachhaltigen Umwelt- und Energiepolitik. Bei der Humboldt Universität liegt er auf dem Umweltrecht. Neben den Genannten sind auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen aktiv und international renommiert. Allen voran das Helmholtz-Zentrum Berlin für Material und Energie (HZB).

Die Forschungszentren werden durch Aktivitäten in der Lehre ergänzt. Die TU Berlin, die Beuth Hochschule für Technik sowie die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) bieten u.a. Studiengänge mit umwelt- und energierelevanten Inhalten an. Dort werden Fachkräfte für Gebäude- und Energietechnik, Verfahrens- und Umwelttechnik, Elektrotechnik und betriebliche Umweltinformatik ausgebildet. Das besondere wissenschaftliche Potenzial Berlins bietet in diesen wie in anderen Bereichen eine hervorragende Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung. Auch in Umwelt- und Energietechnologie sind bereits heute Wissenschaft und Wirtschaft in Berlin vernetzt und befruchten sich gegenseitig.

Dieses Potenzial nutzt auch die Bundesregierung, die Berlin zusammen mit Potsdam zu einer von acht Modellregionen zur Entwicklung der Elektromobilität erklärt hat. Ab 2010 sollen 50 bis 70 BMW-Minis, Fiats 500, Smarts oder Citroens C 1 per Elektroantrieb durch die Stadt touren. Getestet wird bereits jetzt, ob öffentlicher Verkehr und Elektromobile attraktiv miteinander vernetzt werden können. Auch der Berliner Energieversorger Vattenfall ist gemeinsam mit BMW an einem solchen Versuch beteiligt. Geplant ist ein Car-Sharing- Angebot an ausgewählten Standorten wie Hauptbahnhof, Alexanderplatz oder Bahnhof Zoo. Einbezogen werden Elektroroller und -fahrräder. Im Bereichvon Antriebs- und Automatisierungslösungen kooperiert auch die Firma Converteam GmbH mit der Wissenschaft. Partner sind u.a. die Hochschule für Technik und Wirtschaft und die Beuth Hochschule für Technik. Gemeinsam praktizieren sie den Brückenschlag zwischen angewandter Forschung und praktischer Entwicklungsarbeit zum beiderseitigen Vorteil.

Steuerung für Wasserbetriebe 

Neben der Kooperation mit bestehenden Unternehmen werden wissenschaftliche Erkenntnisse auch in Spinoffs in wirtschaftliche Aktivitäten umgewandelt. Inzwischen werden die Unternehmensgründungen tatkräftig von den Hochschulen unterstützt, beispielsweise durch das Existenzgründerzentrum der HTW. Eines seiner Projekte war Inkubator für die 2007 gegründete EcoIntense GmbH (siehe Interview auf Seite 18). Markus Becker und seine Mitstreiter hatten die Idee, sich einen Überblick über Energie- und Wasserverbräuche sowie den Verbleib von Abfall zu verschaffen. Ergebnis war der Prototyp eines webbasierten Informationssystems für Umweltmanagement und Arbeitssicherheit. Inzwischen steuert es alle Wasser- und Abwasserwerke der Berliner Wasserbetriebe und überprüft, ob in den Prozessabläufen die internen Regularien und internationalen Normen eingehalten werden. Angesiedelt ist EcoIntense im Technologie- und Gründerzentrum Spreeknie in Oberschöneweide; in enger Kooperation und Nachbarschaft zum Innovationspark Wuhlheide.

Starthilfe für junge Firmen

Die zahlreichen Gründer- und Technologiezentren in Berlin bieten durch ihre enge Verknüpfung mit Forschungsinstituten gerade jungen Firmen eine wertvolle Starterleichterung, so Dr. Florian Seiff, Geschäftsführer der Innovations- Zentrum Berlin Management GmbH (IZBM, dazu auch Interview auf Seite 20). Das Tochterunternehmen der landeseigenen Wista-Management GmbH betreibt in Wedding mit dem Berliner Innovations- und Gründerzentrum (BIG) Deutschlands erstes Zentrum dieser Art, 1983 initiiert von der TU Berlin. Inzwischen betreut Seiff auch die Innovations- und Gründerzentren IGZ und OWZ in Adlershof. Über die Jahre hat das IZBM über 600 Firmen sprießen lassen.

Darunter auch innovative Umwelt- Firmen wie die Heliocentris Fuel Cells AG, die im Übrigen durch Ausgründung des heutigen Helmholtz Zentrums - ehemals Hahn-Meitner-Instituts - entstanden ist. Das Unternehmen hat sich auf Energiespeicherlösungen spezialisiert, die auf der Kombination von Batterien und Brennstoffzellen basieren. Eingesetzt werden sie etwa in Elektrofahrzeugen, Notstromaggregaten oder in der Elektro-Versorgung von Messstationen. Heliocentris gehört mit rund 50 Mitarbeitern zu den Weltmarktführern in seinem Marktsegment.

Die inzwischen international erfolgreiche Firma Solon SE aus Adlershof ist bereits vor vielen Jahren durch eine Ausgründung der TU Berlin entstanden. Sie gehört nicht nur zu den führenden Herstellern von kristallinen Solarmodulen in Europa, sondern baut auch ganze Photovoltaik-Kraftwerke. In der Zwischenzeit ist Solon auch Geburtsstätte weiterer Unternehmen. Die 2008 gegründete Younicos AG konzipiert und vertreibt neuartige Versorgungskonzepte auf Basis Erneuerbarer Energien. Geschäftsschwerpunkte liegen neben der Beratung auf Energiespeicherung, Netzmanagement und individuellen Energielösungen. Mit der symbolischen Gründung der energieautonomen Republik Younicos in Adlershof im Sommer 2009 hatte das Unternehmen für Furore gesorgt. Ziel ist, die stabile Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien. Angesiedelt ist die Younicos AG mit etwa 800 weiteren Firmen in Adlershof.

Wie der bisherige Erfolg in Adlershof zeigt, können solche Technologiestandorte spürbar zur Wertschöpfung in der Stadt beitragen. So könnte ein „Landeplatz" für neue Unternehmen der Flughafen Tegel sein, der in zwei Jahren stillgelegt werden soll. „Tegel bietet wegen der großen Flächen exzellente Möglichkeiten auch für den Ausbau der Green Economy", findet IHK-Präsident Dr. Eric Schweitzer. Denn derzeit hat Berlin nur 52 Hektar für neue Industrieansiedlungen in petto.

Viel Potenzial in Marzahn

Schon weiter ist man in Marzahn. Im Nordosten Berlins stehen rund 90 Hektar des „Clean Tech Business Parks" zur Verfügung. Hier sollen sich speziell Unternehmen der Bereiche Solarenergie, Windkraft, Biomasse, Wassertechnologien und Recycling ansiedeln. Nachdem Inventux aus Bielefeld auf dem Areal schon mit 200 Mitarbeitern Dünnschicht-Module produziert, unterzeichnete jetzt auch das US-Unternehmen Caly Solar eine Absichtserklärung.

Sicher ist nun auch, dass die für die Produktion von Solar-Modulen benötigten Spezialgase vor Ort produziert werden. Anfang November kündigte die Linde Nippon Sanso GmbH an, eine Produktionsanlage für elektronische Gase zu errichten. Die Anbieter von Technologien und innovativen Konzepten treffen in der Region auf klimaschutz- und effizienzbewusste Nachfrager.

Beim Klimaschutz hat sich die Hauptstadt ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Erreichbar ist das nur, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen mitarbeiten. Dies ist auch den Partnern des „Stadtvertrages Klimaschutz" bewusst. IHK Berlin, Handwerkskammer, BUND und DGB haben Mitte 2009 ein Aktionsbündnis geschlossen (siehe Seite 16). Bürger und Unternehmer sollen zum Energiesparen animiert werden. „Starre Regulierungen bringen hier wenig Erfolg. Vielmehr muss ein freiwilliges Miteinander - auch in ganz neuen Konstellationen - im Vordergrund stehen", so IHK-Präsident Schweitzer. Daher werden Selbstverpflichtungen und Best Practices im Klimaschutz im Mittelpunkt der Initiative stehen.

Insgesamt zehn Berliner Wirtschaftsverbände und Institutionen, darunter die IHK, haben ein weiteres Bündnis zur Förderung des Klimaschutzes ins Leben gerufen. Sie zeichnen den „KlimaSchutzPartner des Jahres" aus. Hierbei werden Projekte gewürdigt, die verschiedene energiesparende Techniken zum Einsatz bringen und so CO2-Emissionen senken. Bei solchen Aktivitäten steht neben der Verfolgung von Klimaschutzzielen auch stets die Einsparung von Energie und Ressourcen im Fokus. Zukünftig können Unternehmen noch Foto: imago/pemax Berliner Wirtschaft 12-09 I 21 Energieerzeugung mit sparsamer Kraft-Wärme-Kopplung: das Vattenfall Heizkraftwerk in Berlin-Mitte, das auch durch seine Architektur besticht stärker auf die Unterstützung der IHK Berlin bauen. Mit einem Energieeffizienz- Coaching hilft sie, Einsparpotenziale zu erkennen und Wege für deren Ausschöpfung zu finden.

Heinz-Wilhelm Simon

 

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