Multi-Organ-Bioreaktoren im Chipformat
15.12.2009
TU Berlin: Multi-Organ-Bioreaktoren im Chipformat
Prof. Dr. Roland Lauster forscht an einem Verfahren, das Tierversuche reduzieren kann / Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit drei Millionen Euro
30.11.2009 - PE auch hier zu lesen
Für seine Forschungen zu "Multi-Organ-Bioreaktoren im
Chipformat" erhält Prof. Dr. Roland Lauster, Leiter des Fachgebietes
Medizinische Biotechnologie, drei Millionen Euro vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF). Das Forschungsvorhaben gehört zu jenen sechs
Projekten, die in der dritten Runde des GO-Bio-Wettbewerbs (Gründungsoffensive
Biotechnologie) für eine Förderung ausgewählt wurden.
Nicht nur in Europa sind die Anzahl und Verbreitung von Allergien in den
vergangenen Jahrzehnten rasant angestiegen. Bisher kann die Medizin die
Auswirkung neuer natürlicher und synthetischer Substanzen immer erst im
Nachhinein feststellen. Adäquate Methoden, um komplexe Wechselwirkungen mit
menschlichen Organen im Vorfeld unter realen Bedingungen zu testen, gibt es
bislang nicht. Ein Team um Prof. Dr. Roland Lauster will nun Abhilfe schaffen.
Mit einem Multi-Organ-Bioreaktor im Chipformat sollen Substanzen vor einer
Exposition an Tier und Menschen getestet und Verbraucherrelevante Reaktionen
vorhergesagt werden.
Der Multi-Organ-Bioreaktor im Chipformat hat die Größe eines Objektträgers. Auf
ihm sind sechs Mikrobioreaktoren angeordnet. In jedem Mikrobio-reaktor befindet
sich eine scheibenförmige Wachstumskammer, die wiederum in drei Segmente
unterteilt ist. In diesen drei Segmenten werden in vitro verschiedene
Organ-Zellmodelle kultiviert, deshalb der Name Multi-Organ-Bioreaktor.
"Wobei wir unsere Untersuchungen vorerst auf Sub-Organoid-Strukturen der
Leber, der Haut und des Knochenmarks be-schränken werden", erläutert
Roland Lauster. Unter Sub-Organoid-Strukturen verstehen die Wissenschaftler,
die aus Zellen bestehende kleinste funktionierende Untereinheit eines Organs,
das heißt Sub-Organoid-Strukturen sind einem menschlichen Organ ähnlich. Über
ein
ebenfalls auf dem Chip aufgebrachtes Mikrofluidiksystem werden die
Sub-Organoid-Strukturen ähnlich dem Blutstrom mit Nährstoffen versorgt und mit
jenen Substanzen in Kontakt gebracht, die auf ihre Wirkung hin getestet werden
sollen. Der Prototyp dieses Minireaktorsystems wurde in Zusammenarbeit mit dem
Fraunhofer Institut für Werkstoff- und Strahltechnik in Dresden entwickelt.
Langfristig sollen damit alle Daten zur Aufnahme und Verteilung von Substanzen
im Körper, ihrem biochemischen Um- und Abbau, ihrer Ausscheidung und möglichen
schädlichen Auswirkungen erfasst werden. Diese Tests werden von Experten unter
dem Kürzel ADMET zusammengefasst.
Der Multi-Organ-Bioreaktor im Chipformat ermöglicht es, die Reaktionen der
Sub-Organoide auf eine Substanz parallel zu beobachten, sowohl unter gleichen
als auch unterschiedlichen Bedingungen. "Aber es gibt noch einen anderen
handfesten Nutzen", sagt Lauster. "Auf dem Weg zur Zulassung eines
pharmakologischen oder kosmetischen Produktes könnte die Anzahl der Tierexperimente
stark reduziert werden, eben weil die Sub-Organoid-Strukturen einem
menschlichen Organ ähnlich sind. So lassen sich über die Wirkstoffeffektivität
oder Toxizität einer Substanz Aussagen treffen, als ob sie am menschlichen
Organ getestet worden wäre."
Im Rahmen von GO-Bio soll es innerhalb von drei Jahren zum ersten
Tauglichkeitstest des Multi-Organ-Bioreaktors im Chipformat für einige
ausgewählte Parameter kommen. In dieser Zeit ist die Gründung eines
Unternehmens geplant, das auf der Basis des neuartigen Bioreaktors Substanzen
im Auftrag testen kann - zum Beispiel pharmakologische Wirkstoffe in
Arzneimitteln oder Inhaltsstoffe von Kosmetika.
Neben der TU Berlin werden die Universität Rostock, die Universität Würzburg,
die Universität Ulm, das Helmholtz Zentrum München und die Rheinische
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn mit ihren Projekten gefördert. Mit der
dritten Runde des GO-Bio-Wettbewerbs will das BMBF erreichen, dass aus
zukunftsträchtigen Ideen in den Biowissenschaften erfolgreiche Unternehmen
werden. Die Finanzierung erfolgt in zwei Phasen, die jeweils auf maximal drei
Jahre angelegt sind: In der ersten Förderphase soll von der Arbeitsgruppe das
Anwendungspotenzial der Entwicklung herausgearbeitet und bewertet werden.
Gleichzeitig sollen sich die Wissenschaftler Gedanken darüber machen, wie sie
die Ideen konkret vermarkten wollen. In einer zweiten Förderphase, über die
nach einer Zwischenevaluation entschieden wird, erfolgt die Überführung dieser
Strategien in die wirtschaftliche Verwertung. In den ersten drei Runden wurden
315 Skizzen eingereicht; 28 Projekte werden nun gefördert.
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Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr. Roland Lauster, Institut
für Biotechnologie, Fachgebiet Medizinische Biotechnologie, Ackerstraße 71-76,
13355 Berlin, Tel.: 030-314-72 0 90, Fax: -72950, E-Mail:
roland.lauster@tu-berlin.de, Internet: www.medbt.tu-berlin.de