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Mangel an Geld für neue Ideen

30.12.2009

 

Mangel an Geld für neue Ideen

 

Interview mit Prof. Dr. Alexander Kritikos vom DIW über die Finanzierung von Innovationen in der Wirtschaftskrise

  Aus: TSB-News Dezember 2009

Frage: Herr Prof. Kritikos, Innovationen brauchen Geld, technische Innovationen meist sogar sehr viel Geld. Ist deshalb in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise die Finanzierung von Innovationen gefährdet?

 Kritikos: Bevor ich zur aktuellen Lage antworte, möchte ich darauf hinweisen, dass wir in unserem jährlichen Bericht "Innovationsindikator Deutschland", den das DIW in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutschen Telekom Stiftung erstellt, auch den Indikator "Finanzierung von Innovationen"  unter die Lupe nehmen. Dabei haben wir auch in diesem Jahr feststellen müssen, dass die Beschaffung von Finanzmitteln für Innovationen mehr denn je ein besonderer Schwachpunkt des deutschen Innovationssystems ist.

 In einem Ranking von 18 Industrieländern landet Deutschland beim Punkt Finanzierung 2009 auf Platz 15, vor zwei Jahren war es noch Rang 10. Während Schweden und die USA die Rangliste unverändert anführen, sind lediglich Japan und Italien schlechter als Deutschland platziert. Besonders schlecht schneidet Deutschland bei der Gründungsfinanzierung ab. Ins Mittelfeld (Platz 7) gelangen wir immerhin bei der "staatlichen Förderung".

 

 Frage: Wie ist diese schlechte Position zu erklären? Deutschland ist doch ein  reiches Land und braucht Innovationen.

 Kritikos: Die Ursachen muß man in unserem Bankensektor und auch im Bereich des Venture-Capitals suchen. Ein Grund dafür, dass Kapitalgeber hierzulande wesentlich weniger Geld in junge deutsche Unternehmen investieren als in anderen Ländern ist, dass bei uns die steuerlichen Rahmenbedingungen für Venture Capital Firmen nicht so attraktiv sind.

 Ein Beispiel dafür sind die Möglichkeiten zum so genannten Verlustvortrag: Start-ups machen in der Anfangszeit meist Defizite. Wenn die jungen Firmen dann nach einigen Jahren schwarze Zahlen schreiben, können sie die Verluste aus den Vorjahren in ihrer Steuererklärung geltend machen - sie sparen also Steuern. Verkaufen Venture Capital Firmen aber ihre Anteile an jungen Unternehmen, dann dürfen die alten Eigentümer diese steuerlichen Vorteile nur unter sehr komplizierten und restriktiven Voraussetzungen nutzen. Das drückt den Preis, den Investoren mit dem Verkauf von Beteiligungen erzielen. Weil andere Länder - wie etwa Frankreich - in dieser Hinsicht attraktivere Steuergesetze bieten, sind Investitionen in deutsche Start-ups weniger lukrativ. Die uneingeschränkte Anerkennung von Verlustvorträgen für die Finanzierung innovativer Unternehmen ist aus Sicht des DIW daher ein zentraler Ansatzpunkt, um Deutschland für VC-Firmen attraktiver zu machen.

 

Frage: Was passiert nun in der Krise?

 Kritikos: Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat das ohnehin ungünstige Umfeld für die Innovationsfinanzierung weiter geschwächt. Die Rahmenbedingungen haben sich sowohl an den externen Fremdkapitalmärkten als auch an den Eigenkapitalmärkten verschlechtert.  Durch den Mangel an ausreichenden Finanzierungsquellen droht ein deutlicher Rückschlag für die Innovationstätigkeit vor allem junger Unternehmen.

 

Frage: Mit welchen Folgen?

 Kritikos: Wenn sich tatsächlich die Anzeichen für ein Ende der Krise mehren, dann ist dies  genau der richtige Zeitpunkt, in Innovationen zu investieren. Innovationen sind sozusagen der Treibstoff für das  Wirtschaftswachstum der nächsten Jahre. Wenn aber die Restriktionen im Finanzierungsbereich zu hoch sind, kann es passieren, dass wichtige Projekte nicht in Deutschland, sondern anderswo realisiert werden. Das wäre dann Wertschöpfung, die uns fehlt, weil wir zu wenig risikobereit waren.

 

Frage: Ist das nicht die Stunde der öffentlichen Hand?

 Kritikos: In der Tat wird von staatlicher Seite über die Konjunkturprogramme eine Menge Geld in die Wirtschaft gepumpt. Im Zuge des zweiten Konjunkturpaketes ist immerhin auch das ZIM-Programm (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand des Bundeswirtschaftsministeriums) mit 900 Mio Euro aufgestockt worden. Dies dürfte sich positiv auf die staatlich geprägten Finanzierungsbedingungen auswirken. Außerdem wird die Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung für Unternehmen nach wie vor kritisch diskutiert. Wie schwierig diese Diskussion ist, wird vor dem Hintergrund deutlich, dass Deutschland eines der wenigen europäischen Länder ist, das über keine steuerliche FuE-Förderung verfügt. Hier hat man sich bisher auf eine direkte Projektförderung konzentriert, die gezielter einzelne innovative Projekte unterstützt. Man muss in diesem Zusammenhang betonen, dass sowohl die steuerliche Förderung wie auch die Projektförderung ihre Vor- und Nachteile haben, die besonnen gegeneinander abgewogen werden müssen.

 

Frage: Kann das neue Finanzierungsinstrument der Mikrokredite bis 25.000 Euro  hier nicht eine  Brücke sein?

 Kritikos: Wir haben uns intensiver mit dem Thema Mikrokredite beschäftigt, auch mit den internationalen Erfahrungen. Eine erste Befragung des DIW Berlin und der Beratungsgesellschaft GfA hat gezeigt, dass es in Deutschland zwar eine substanzielle,  aber doch eher kleinere Nachfrage nach diesen Krediten gibt als erwartet. Rund jeder sechste Befragte würde gerne einen Kredit aufnehmen, der die typischen Charakteristika von Mikrokrediten aufweist: schnelle Beantragung, flexible Rückzahlungsraten, kurze Laufzeiten, zur Not auch hohe Zinsen.

 Inzwischen ist die Zahl nicht so hoch kapitalintensiver wissensbasierter Dienstleistungs- und spezialisierter Einzelunternehmen stetig gestiegen, aus der sich ein zweites Unternehmerbild entwickelt hat, welches dem typischen Mikrokredit-Kunden entspricht. Diese Unternehmer starten ihre Betriebe mit eigenen Mitteln und beantragen den ersten Kredit erst dann, wenn ein größerer Auftrag herein kommt, also nicht vor der Gründung sondern zum Beispiel 18 Monate nach Gründung. Für solche Unternehmer haben deutsche Banken nichts übrig. Kredit-Betreuer glauben, diese Unternehmer hätten sich verkalkuliert und wollen nun ihre Betriebe mit einem Kredit retten. Und als Bank wirft man nicht sein "gutes Geld schlechtem Geld" hinterher.

 Genau unter dieser wachsenden Zahl "Neuer Selbständiger" stecken aber die potentiellen Kunden für Mikrofinanzprodukte und mit ihnen ginge eine Bank "gute Kreditrisiken ein".  Speziell für Berlin mit seinem starken Kreativsektor sehe ich Chancen, wenn man den Mikrokreditbereich ausbauen würde.

 

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Zur Person: 

Alexander Kritikos leitet seit 2008 die Abteilung Innovation, Industrie, Dienstleistung am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hat seit 2007 einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre an der Hanseuniversität Rostock inne und ist Research Fellow am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA), Bonn, sowie am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg. Er ist seit 2004 Gründungsmitglied und Mitglied des Aufsichtsrats des Deutschen Mikrofinanz Instituts (DMI), Berlin und Partner der Gesellschaft für Arbeitsmarktaktivierung (GfA), Berlin.

 

http://www.diw.de/sixcms/detail.php/101611

 

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Folie 1

http://www.tsb-berlin.de/de/tsb-gruppe/service/archiv/downloads/publikationen-archiv/tsb-news-archiv/

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