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Smart Grids: Intelligente Stromnetze braucht das Land

15.04.2011

 

Smart Grids: Intelligente Stromnetze braucht das Land

VDE-Studie sieht hohe Technikkompetenz in Deutschland, aber auch Akzeptanz-Probleme

Der Elektrizitätstechnik und -wirtschaft stehen grundlegende Veränderungen ins Haus. Die starken Fortschritte beim Einsatz erneuerbarer Energien, ihre dezentrale Stromerzeugung und die Einspeisung in das allgemeine Stromnetz verlangen eine technische Modernisierung der Strom-Infrastruktur, die unter der Bezeichnung „Smart Grids" (Intelligente Netze) in der Fachwelt intensiv diskutiert wird. Auf der Hannover Messe stellte der VDE eine aktuelle Studie vor, in der wichtigsten Anforderungen an Smart Grids umrissen werden.

Die befragten Experten in den VDE-Mitgliedsfirmen und Hochschulen sehen Smarts Grids überwiegend als eine Technologie an, die die Voraussetzung für die Integration von erneuerbaren Energien bietet (65 Prozent teilen diese Auffassung). Allerdings wird nicht mit einer schnellen Realisierung gerechnet. Lediglich ein Viertel erwartet, dass die Durchdringung Deutschlands mit Smart Grids schon bis 2020 erreichbar sein wird. Fast doppelt soviele (46 Prozent) halten dies erst bis 2025 für möglich, der Rest noch später, bis 2030.

Der Grund für diese zeitliche Skepsis liegt in einer gespalteten Einschätzung zum Standort Deutschland: Einerseits wird Deutschland die größte Technikkompetenz im Bereich der Smart Grids attestiert (61), andererseits werden die Chancen, die Technik auch hier zu realisieren, nur von 36 Prozent so optimistisch gesehen. Besser sieht die Bewertung im europäischen Rahmen aus. Hier wird von zwei Dritteln der Realisierung gute Chancen eingeräumt (einschließlich Deutschland). Interessanter Nebenaspekt: Wenn auch alle anderen Weltregionen in der Smart Grid-Technologie einen großen Abstand zu Deutschland/Europa im Urteil der Experten aufweisen, wird jedoch dort immer die Umsetzungsfähigkeit höher als die Technikkompetenz eingeschätzt.

Technik

Wo kommen Smart Grids künftig zum Einsatz? Die Antwort der Experten ist eindeutig: 84 Prozent sehen die Potenziale im Bereich der Energieverteilung (Verteilnetze), deutlich weniger in den Segmenten Energieübertragung (Hochspannungsnetze) und Energieerzeugung (Kraftwerke, EE-Anlagen).

Bei der Bewertung der Vorteile steht, wie erwähnt, die bessere Einbindung dezentraler Erzeugeranlagen im Vordergrund (76). Erst mit erkennbarem Abstand folgen weitere technische Vorteile: die höhere Netzstabilität und die Vermeidung von Netzausfällen (51), die bessere Lastregelung durch virtuelle Kraftwerke (49), der Beitrag zur Senkung von CO2-Emissionen (48). Zwar wird auch eine „größere Energieeffizienz" erwartet (45 Prozent der Antworten), aber ganz am Schluß der Liste steht mit 14 Prozent der erwartete Vorteil: „Senkung des Stromverbrauchs". Effizienter Stromverbrauch also, aber nicht weniger.

Gesellschaft und Wirtschaft

Quasi als Aufgaben-Agenda ist Bewertung der „Hindernisse" durch die Experten zu lesen. An erster Stelle stehen die Investitionskosten (64 Prozent), die mit zweistelligen Milliardenbeträgen veranschlagt werden (siehe weiter unten). Es folgen die „Akzeptanzprobleme bei Kunden" (52), wohl in erster Linie beim Bau neuer Stromleitungen, „International einheitliche Standards" (48) sowie „Mangelnde Marktanreize" (42).

In einer weiteren Frage-Staffel zu „Chancen und Risiken" fällt zweierlei auf. Zum einen wird - in einer Art von Remix der Technologien und der sie einsetzenden Wirtschaftsbranchen - die Auffassung bejaht, dass durch die Smart Grids auch der „Einfluss der IT-Industrie wächst" (75 Prozent). Gleich viele Experten meinen, dass die Elektrobranche mit der IT- und Automobilbranche stärker zusammen wachsen werde (etwa über die Batterie- und Speichertechnik). Vergleichsweise wenig Experten (32 Prozent) sind der Meinung, dass Smart Grids auch zum „Durchbruch für das Smart Home" führen werden. Am Ende der Skala die alarmierende Einschätzung: Nur 25 Prozent teilen die Ansicht: „Smart Grids treffen in der Bevölkerung auf hohe Akzeptanz". Hier scheint noch viel Informationsarbeit vonnöten zu sein.

Bei der Vorstellung der Studie am 4.4.2011 auf der Hannover Messe unterstrich der stellvertretende VDE-Präsident Dr. Joachim Schneider (Vorstandsmitglied RWE Deutschland), dass die Angebotsbreite der Smart Grid-Technologien stetig zunehme. Dies werde unter anderem durch einen neuen Förderschwerpunkt des BMWi "Netze für die Stromversorgung der Zukunft" auf Seite der Energieforschung unterstützt. Zur Praxiserprobung solle Mitte des Jahres ein größeres Modellprojekt in der Eifel (Bitburg) starten.

Der Bereich Smart Metering wird nach Aussage Schneiders durch die Vorschrift zum Einbau elektronischer Zähler bei Neubauten einen Schub erhalten. Die Entwicklung gehe dahin, dass der Zähler künftig nicht mehr nur den Verbrauch messe, sondern auch Steuerungsfunktionen übernehmen werde. Der Weg zum „Smart Home" sei vorgezeichnet. Im Zusammenhang mit der dezentralen Stromproduktion durch EE-Anlagen werde aus dem klassischen Strom-Kunden mit einer Konsumenten-Rolle nach den Worten Schneiders in Zukunft ein „Prosumer", weil er als eigener Stromproduzent überschüssige Elektrizität ins Netz einspeisen können.

Der wichtige technische Schritt, der hier auf Verteil-Ebene nötig sei, seien „Virtuelle Kraftwerke", mit denen die dezentralen Energiequellen gebündelt und für den Strommarkt verfügbar gemacht werden können. An dieser Stelle könne auch der Elektromobilität eine neue Funktion im Energiekontext zuwachsen. Allerdings werde der Einsatz von Elektroautos als „virtueller Stromspeicher" erst ab einer Menge von zwei bis drei Millionen Fahrzeugen interessant. Derzeit will die Bundesregierung im Rahmen ihre Elektromobilitäts-Programms bis 2020 rund 1 Mio Strom-Autos auf Deutschlands Straßen bringen.

Hoher Investitionsbedarf

Schneider hob hervor, dass alle diese Schritte zu einem intelligenten Energieystem einen hohen Investitionsaufwand verlangten. So sehe die Dena-Netzstudie 2 einen Bedarf an 3600 Kilometern neuen Hochspannungsleitungen, um vor allem den Wind-Strom von der deutschen Küsten ins Landesinnere zu transportieren. Die Kosten dafür beginnen bei 10 Mrd Euro für Freileitungen und würden mit Verkabelungs-Lösungen je nach Umfang auf über 20 Mrd Euro steigen. Schneider: „Der Großteil dieser zusätzlichen Leitungen sind bereits beantragt". Hinzu komme die Ebene der Verteilnetze. Nach einer Abschätzung des Verbandes BDEW liegen hier die Investitionskosten zwischen 13 und 21 Mrd Euro in den nächsten Jahre.

Prof. Jochen Kreusel, VDE-Präsidiumsmitglied und Vorsitzender der Energietechnischen Gesellschaft (ETG) im VDE sowie Leiter Smart Grids bei ABB AG, umriß von seiner Seite die technischen Herausforderungen, vor allem bei den Verteilnetzen. Er sei aber zuversichtlich, was die Realisierung und Fianzierung angehe. Schließlich könne festgestellt werde: „Das Bewußtsein, dass wir in Deutschland mehr für unsere Energieversorgung tun müssen, verbreitet sich".

Manfred Ronzheimer

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VDE-Trendreport Elektro- und Informationstechnik 2011 bestellen

 VDE-Pressemitteilung vom 4.4.2011

http://www.vde.com/de/Verband/Pressecenter/Pressemeldungen/Fach-und-Wirtschaftspresse/Seiten/2011-18.aspx

 

http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Energie/Energietraeger/netze,did=354342.html

BMWi- "Netze für die Stromversorgung der

 

 

30. März 2011,

Berechnungen BDEW-Verteilnetzstudie 2011

Abschätzung des Ausbaubedarfs in deutschen Verteilungsnetzen aufgrund von Photovoltaik- und Windeinspeisungen bis 2020    mehr...

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Wo bleibt Deutschland Innovations-Weltmeister?
Der VDE-Trendreport Elektro- und Informationstechnik schaut ins Jahr 2020

http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=2502

 

 

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