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Energiewende: „Schneller laufen"

09.08.2012

 

Energiewende: „Schneller laufen"

BUND, BEE und DENEFF legen  Maßnahmenkatalog vor

Über 40 Journalisten drängelten am Mittwoch (8.8.) im zu kleinen Pk-Raum des Bundespresseamtes am Bahnhof Friedrichstraße, wo die Sitzplätze nicht ausreichten;  vier Kamerateams hatten sich vor den drei Referenten aufgebaut - allerdings war tags drauf die Medienresonanz dann doch überraschend spärlich. Die Aussagen und Forderungen von BUND, BEE und DENEFF, wie die Energiewende wieder in Schwung gebracht werden könne, wurde nur von wenigen Medien wiedergeben. Das Thema dominierte stattdessen Wirtschaftsminister Rösler, der zu einer Krisenrunde über die Offshore-Windkraft geladen hatte.

Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, kritisierte vor allem Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, der die Energieeffizienz blockiere und den Ausbau der erneuerbaren Energien immer wieder in Frage stelle. Auch Umweltminister Altmaier sei zu tadeln, weil er sich vom Ziel einer Energieeinsparung bis zum Jahr 2020 um zehn Prozent schon jetzt als „unerreichbar" verabschiedet habe. Aber ein Jahr lang habe sein Haus zuvor nichts in dieser Richtung unternommen. Die Politik müsse an ihre Verantwortung erinnert werden: schließlich sei die Energiewende kein Selbstzweck, sondern „überlebensnotwendig", sowohl um die Umwelt zu retten als auch wirtschaftlich zukunftsfähig zu bleiben.

Als positiv vermerkte Weiger, dass die Energiewende bei den Bürgern an der Basis gut laufe, und zwar „rascher als selbst wir erwartet hatten". Als Beispiel nannte er den Trend bei den Bürgerwindanlagen. Im ländlichen Raum sei eine Renaissance der Genossenschaftsbewegung im Energiebereich. Mittlerweile gebe es in Deutschland  eine Million dezentrale Energieerzeuger. Weiger: „Das ist fantastisch". Leider schüre die Bundesregierung den Sozialneid, indem sie private PV-Investoren gegen HartzIV-Empfänger  ausspiele.

Zwar gebe bei Ausbau der EE auch Konflikte mit dem Naturschutz. Aber die seien lösbar, vor allem durch eine qualifizierte Planung, etwa bei der Ausweisung von geeigneten Windflächen. Beim Biogas müsse der Mais-Einsatz reduziert, dafür die Nutzung von Küchen-Biomüll (braune Tonne) gesteigert werden. Weiger zusammenfassend: „Der Naturschutz ist kein Bremser der Energiewende, sondern ihr Motivator".    

Als größtes Defizit schnitt Weiger den unzureichenden Ausbau der EE im Wärmebereich an. „Die Solarthermie hinkt absolut hinterher", sagte der BUND-Vorsitzende. Hier seien gesetzliche Initiativen gefragt, etwa bei Neubauten.

Der Präsident des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Dietmar Schütz, hob drei für ihn wichtige Punkte hervor: die Herstellung von Investitionssicherheit, die gerechte Verteilung der Kosten für den EE-Ausbau sowie die Forcierung von EE im Wärmesektor.

Eine neuerliche Veränderung des EEG - etwa zur Deckelung der Förderung oder deren Koppelung an den Netzausbau - lehnte Schütz ab. „Wir müssen jetzt Ruhe in den Markt bringen", sagte er. Die letzten Gesetzesveränderungen hätten bei Investoren größere Unsicherheiten ausgelöst. Früher sei das EEG alle vier Jahre novelliert worden. Bei diesem Turnus sollte es bleiben. Dann stünde das Thema erst in drei Jahren wieder an.  Gleichwohl könne jetzt schon über neue Ansätze der EE-Förderung nachgedacht werden. Im Herbst werde ein Gutachten zu einem „neuen Marktdesign" vorgestellt.

Zum Punkt zwei, der Kostengerechtigkeit, verwies Schütz auf das Missverhältnis, wonach die Industrie von den fallenden Preisen an der Strombörse profitieren, der private Endverbraucher und kleineren Unternehmen aber immer höhere Tarife zu berappen habe. Die Ausweitung der Ausnahmenregelung  habe dazu geführt, dass wenige hundert Industrieunternehmen, die 18 Prozent des Stroms verbrauchen, lediglich 0,3 Prozent der EEG-Umlage zahlten. „Das muss sich ändern", so Schütz. „Die Kosten müssen gerechter verteilt werden". Ein erster Schritt sei, dass die Bundesregierung weniger Industrie-Befreiungen zulasse.

Wie auch Weiger sah Schütz einen großen Handlungsbedarf für den EE-Einsatz im Wärmebereich. „Dies wurde sträflich vernachlässigt", sagte der BEE-Chef. „Der schlafende Riese Wärme schläft immer noch". Grund für diese Hängepartie sei, dass zwei bis drei Bundes nach wie vor auf der politischen Bremse stehen. Das BMU arbeite jetzt an einer Gesetzesnovelle, um hier wieder Fahrt reinzubringen. Schütz nannte drei konkrete Maßnahmen, um im Gebäudebestand „einen wahren Boom der erneuerbaren Energien zum Heizen auszulösen".

Carsten Müller, Vorstandsvorsitzender Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF), sah in einer konsequenten Effizienzpolitik den Schlüssel für die Energiewende, weil nur dadurch die Energiekosten gedämpft und die Abhängigkeit von teuren Energieimporten beendet werden könnten. Er sei daher sehr erstaunt, dass die Bundesregierung sich von ihrem Sparziel des letzten Jahren verabschiedet habe. Passend zu den Olympischen Spielen in London verglich Müller die Situation mit einem 100 Meter-Läufer,  der nach einem etwas langsamen Start nun mit dem Schiedsgericht über eine Verkürzung der Strecke auf 90 Meter verhandeln wolle. Dabei sei das einzig richtige: Ab jetzt schneller laufen. Das gelte auch für die Energiewende: Wenn die erst anderthalb Jahre später starte, dann muss das restliche Tempo umso größer sein. „Zehn Prozent Strom bis 2020 einzusparen, ist auch jetzt noch zu schaffen", betonte der DENEFF-Sprecher. Nach einem Gutachten des Wuppertal-Instituts könne die Industrie 14 Prozent bei ihrem Stromverbrauch einsparen, die privaten Haushalte 17 Prozent, Handel und Dienstleistungen 11 Prozent. Als konkretes Beispiel führte Müller die Umrüstung auf moderne Heizungspumpen an. Die Haushaltsgeräte in deutschen Wohnungen seien zu 40 Prozent älter als zehn Jahre. Wenn sie durch moderne, energiesparende Geräte ersetzt würden, würden 11 Mrd kWh nicht benötigt, das wären sieben Prozent des privaten Stromverbrauchs im Wert von drei Mrd Euro. Gespart ohne jeden Komfortverlust, sondern nur durch bessere Effizienz. Energieeffizienz sei „der Kosten-Airbag im Energiebereich".

Müller nannte als mögliche Programme "Abwrackprämien" für Stromfresser wie veraltete Kühlgeräte und Pumpen. Dringend modernisiert werden müssten auch ineffiziente Antriebe in Industriebetrieben oder kostenintensive Beleuchtungs- und Heizungssysteme in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden. Eine gute Maßnahme sei auch die Dämmung der oberen Geschoßdecke in Wohnanlagen. Insgesamt könnte so auf die Leistung von neun Großkraftwerken verzichtet werden. Voraussetzung: „Die Politik muss endlich handeln", so Müller. Zu wenig beachtet werde auch die Exportchancen in der Energieeffizienz, schon jetzt seien deutschen Firmen Weltmarktführer in diesem Segment.  

Die drei Organisationen hatten ein  Sofortprogramm formuliert, das der Energiewende neuen Schub verleihen soll. Das Papier definiert als die „Dreh- und Angelpunkte der Energiewende":

- Eine verbindliche Effizienzpolitik für 2020 und darüber hinaus

- Weiterer verlässlicher Ausbau der Erneuerbaren Energien

- Fortschritte bei der energetischen Gebäudesanierung und der Verbreitung effizienter Produkte

- Schaffung stabiler und haushaltsunabhängiger Anreizsysteme für Energieeffizienz und Erneuerbare Energien sowie Beseitigung von Barrieren für Energiedienstleistungen

- Ein Boom für effizient genutzte Erneuerbare Wärme in Neubau und Bestand

 

Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg

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Download:  Sofortprogramm zur Beschleunigung der Energiewende

 

UN3532

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