„Jetzt sind wir tot"
02.09.2013
„Jetzt sind wir tot"
Das Verschwinden der TSB Innovationsagentur und das Entstehen der neuen Technologiestiftung
Beim Sommerfest der Berliner Wirtschaftsgespräche am Freitag auf dem Schöneberger EUREF-Gelände hatten sie noch zwei getrennte Informationsstände aufgebaut: Berlin Partner und die Technologiestiftung Berlin. Die Eingeweihten wussten, dass dies ein historischer Tag sein würde. Am frühen Nachmittag schickte TSB-Stiftungsvorstand Nicolas Zimmer den Mitarbeitern der TSB eine SMS aufs Handy. Die Eintragung der der neuen fusionierten Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH im Handelsregister Berlin sei nun erfolgt.
Die Tochtergesellschaft TSB Innovationsagentur GmbH, die einst als Technologie-Vermittlungs-Agentur (TVA) gegründet worden war, war in Berlin Partner aufgegangen und bestand nicht mehr. Ein Beschäftigter formulierte in der ersten Regung nur den Exitus, nicht den Aufbruch: „Jetzt sind wir tot".
Nach Monaten, ja Jahren der Beziehungsanbahnung und Fusionsvorbereitung war der Zusammenschluß am 30.8. rechtswirksam vollzogen. Auf den letzten Drücker: Wäre der Rechtsakt nicht bis zum 1.9. zustande gekommen, hätte der ganze Prozess von neuem beginnen müssen. Das wollte keiner der Beteiligten auf gar keinen Fall. Schon das ganze Jahr hatte der Fusionsprozess beide Einrichtungen der Wirtschafts- und Technologieförderung gelähmt. Viel Arbeitszeit ging für die interne Reorganisation drauf, Arbeitsgruppen aus beiden Gesellschaften waren gegründet worden, die beiden Kulturen sollten verschmelzen und Synergien finden, das Führungspersonal musste sich neu bewerben, der Vertrag des langjährigen Geschäftsführer der Innovationsagentur wurde nicht verlängert, die Ausschreibung für den zweiten Führungskopf der neuen Gesellschaft soll laufen, auch wenn über das Anforderungsprofil angeblich noch keine Einigkeit besteht. Presseerklärungen gibt es nicht, eine Pressekonferenz zur neuen TSB, die vor einer BWG-Veranstaltung am 16.9. (1) stattfinden sollte, wurde auf unbestimmten Termin verschoben.
Vielleicht will man zuerst den Umzug hinter sich bringen. Die Technologen ziehen vom 5. Stock des Ludwig Erhard Hauses in die 3. Etage der neuen Partner, und deren Querschnittsabteilungen wandern nach oben.
(1)
http://www.bwg-ev.net/events/info/6opnl-neuorientierung-der-technologiestiftung-zukuenftige-aufgaben
Im letzten Newsletter der TSB vom 21.8.2013 hatte sich Geschäftsführer Kopp mit diesen Worten verabschiedet:
„Am 1. September wird der Hebel umgelegt. Ab dann arbeiten TSB Innovationsagentur und Berlin Partner nicht nur unter einem Dach, sondern als ein neues Unternehmen zusammen. Wir werden gemeinsam Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, um einen noch besseren und noch umfassenderen Service für Wissenschaft und Wirtschaft aus einer Hand zu bieten. Die TSB Technologiestiftung Berlin wird als Gesellschafterin des neuen Unternehmens mit den bisherigen Kolleginnen und Kollegen aus der Innovationsagentur weiter eng zusammenarbeiten und sich selbst stärker auf strategische Aufgaben konzentrieren.
Für mich persönlich geht damit eine spannende und produktive Zeit zu Ende. Ich übernahm 2008 sehr gerne die Geschäftsführung der TSB Innovationsagentur. Es war mir klar, dass die Hauptstadt ganz außergewöhnliche Möglichkeiten hatte, durch die intensive Zusammenarbeit der exzellenten und vielfältigen wissenschaftlichen Einrichtungen und der innovativen Unternehmen einen Struktur- und auch einen Imagewandel hin zu einer ernstzunehmende Industriemetropole zu schaffen.
Gemeinsam haben wir - Sie als unser Partner und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TSB - unseren Teil geleistet, dass Berlin und die Hauptstadtregion deutschlandweit und international immer stärker als Innovationsstandort wahrgenommen werden. Ich erinnere nur an die Innovationsstrategie von Berlin und Brandenburg (innoBB), die Impulse, die wir für den Industriestandort gegeben haben, den Aufbau und die Pflege zahlreicher Netzwerke und nicht zuletzt die Rückmeldung aus Brüssel, dass wir als europäischer Benchmark wahrgenommen werden.
Diese Erfolge waren nur möglich, weil die TSB leistungsstarke Partner hatte - ich danke Ihnen für die gute Zusammenarbeit, viele inspirierende Gespräche, interessante Projekte und die entgegengebrachte Wertschätzung in den vergangenen fünf Jahren. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch in Zukunft mit der neuen Gesellschaft weiter erfolgreich zusammenarbeiteten."
Die TSB als gemeinnützige Stiftung, geführt von Ex-CDU-MdB und Ex-StS und aktivem E-Book-Unternehmer Nicolas Zimmer, zieht sich wieder auf ihren ursprünglichen Kernbereich zurück: die Förderung von Wissenschaft mit Zielrichtung wirtschaftliche Anwendung. Vorletzte Woche beriet das zehn-köpfige Team über die künftigen Aufgaben und die strukturelle Ausrichtung. Mit öffentlichen Informationen über die Neuausrichtung wird gegeizt. Obwohl Zimmer wie auch seine Vorstandkollegin, die UdK-Professorin und Steinbrück-Wahlkämpferin Gesche Joost, viel von sozialen Netzwerken halten und dort selbst unterwegs sind, bleibt bei diesem Kernort des innovativen Berlin „the wisdom of the crowd" ausgesperrt. Open Innovation? Bitte, nicht jetzt..
Nur verzeinzelt schaffen es Gedankensplitter aus dem Gürteltier in der Fasanenstraße, in das Licht der Öffentlichkeit zu kommen.
In einer Beilage der Wochenzeitung DIE ZEIT vom 14.8.2013 („Wie wird geforscht in Berlin und Brandenburg?"), für das viel Geld aus der Hauptstadtregion nach Hamburg geflossen ist, um Als-ob-Journalismus zu produzieren, wird Nicolas Zimmer in seinem TSB-Job als „Teilchenbeschleuniger der örtlichen Wissenschaftswelt" bezeichnet. „Er soll dafür sorgen", heißt es weiter in dem Advertorial-Text, „dass die Berliner Erfindungen in der Welt wahrgenommen werden - und möglichst viele von ihnen Marktreife erlangen". Dann kommt ein interessantes wötliches Zitat von Zimmer: „Wir brauchen einen besseren Technologietransfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft", sagt Zimmer. Die TSB werde deshalb „ab September gezielt Neuheiten aufspüren, Unternehmen unterstützen und den Standort weltweit vermarkten", heißt es im Text weiter. Der Hamburger Autor hat die Berliner Organisationsverhältnisse erkennbar nicht verstanden. Noch ein O-Ton Zimmer: Wir brauchen Orte, an denen jeder mit kleinem Geld forschen kann". Er wolle dazu ein „Gründerlabor" eröffnen, mit Geräten und dieses an Gründer vermieten. „Eine siebenstellige Summe könnte das kosten". Mit Sicherheit wird dieses Geld nicht aus TSB-Mitteln kommen. Deshalb der Anschlusssatz Zimmers: „Wir brauchen Big Player und mehr privates Risikokapital". Diese müssten nicht zwingend von weither kommen. Ob er SAP meint? ResearchGate schafft es jedenfalls, Risikokapital auch von weither nach Berlin zu holen, von Bill Gates.
In neuen Jahrbuch der Berliner Wirtschaftsgespräche, letzte Woche erschienen, hat Zimmer einen ganzseitigen Meinungsbeitrag: „TSB setzt sich neue Ziele (S. 31). Das hört sich programmatisch an. Was sind die neuen Ziele? Es stellten sich „neue Fragen, zu deren Lösung Technologien beitragen könnten", schreibt Zimmer und nennt zwei Beispiele, über die derzeit auch in der Öffentlichkeit heftig diskutiert wird: dem Stromnetz der Zukunft und dem „zukünftigen Umgang mit Daten". Die zentralen Fragen lauten in den Worten Zimmers: „Wie wird der Mix von knapper werdenden fossilen Brennstoffen und regenerativen Energieträgern in 20 Jahren sein, wie wird die Stromversorgung organisiert sein? Wie wollen wir so mit der ständig steigenden Menge von Daten umgehen, dass sie für wichtige Anwendungen frei zugänglich und doch vor Missbrauch geschützt sind?".
Und wie wird die TSB das tun? Die fachlichen Cluster für Forschung und Innovation zu Energie und Informationstechnik gibt es ja schon. Zimmer: „Die TSB wird sich nun vermehrt dafür engagieren, die vorhandenen Potenziale sichtbar zu machen und sie auf die Agenda der Stadt zu setzen". Dazu will man Vernastaltungsformate nutzen, wie bisher, aber auch „neue Wege zum Gedankenaustausch entwickeln". Es gehe dabei im Vordergrund um den Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft. Politik und Verwaltung. „Für interessante Lösungsvorschläge, die in diesem Dialog entstehen, will die TSB Pilotvorhaben initiieren".
Angestrebt sind „zukunftsweisende Lösungen", die sich auch wirtschaftlich nutzen lassen, wie zweitens „Berlin als Referenzstadt für bestimmte Zukunftsthemen zu etablieren". Das hört sich nach „Grand Challenges" an. Der letzte Absatz kündigt dann einen Wandel in der Innovationspolitik an: Cluster für die Wirtschaft war gestern, Wissenschaft für „drängende Zukunftsfragen" ist jetzt angesagt. Das wäre in der Tat eine Neuausrichtung der TSB.
Manfred Ronzheimer für InnoMonitor Berlin-Brandenburg
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