Koalition gegen Volksentscheid "Neue Energie für Berlin"
30.08.2013
Abgeordnetenhaus von Berlin - 17. Wahlperiode - Drucksache 17/1139
Dringlicher Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU
auf Annahme einer Entschließung
Stellungnahme des Abgeordnetenhauses zum Volksentscheid über ein „Gesetz für die demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung in Berlin (EnergieVG)"
Das Abgeordnetenhaus wolle folgende Stellungnahme des Abgeordnetenhauses gemäß § 32 Absatz 4 Berliner Abstimmmungsgesetz beschließen:
Das Abgeordnetenhaus von Berlin empfiehlt, dem Volksentscheid über ein „Gesetz für die demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung in Berlin (EnergieVG)" nicht zuzustimmen.
Weitere Netzgesellschaft überflüssig - Zwingendes gesetzliches Vergabeverfahren ist gesichert
Wie auch die Vorhabenträger des Volksentscheides ausdrücklich einräumen, kann Berlin die Stromnetze weder durch Gesetz erlangen noch durch Kauf erwerben. Vielmehr wird derzeit ein bundesgesetzlich und europarechtlich zwingendes, diskriminierungsfreies und faires Wettbewerbsverfahren durchgeführt. In diesem Verfahren hat sich ein landeseigenes Berliner Unternehmen innerhalb der gesetzlichen Fristen im April 2012 beworben und seine Eignung bis zum Fristablauf im Mai 2013 dargelegt. Demgegenüber könnte eine weitere, durch Volksentscheid am 3. November 2013 zu gründende Netzgesellschaft, nicht mehr Teilnehmer dieses notwendigen Verfahrens sein. Zur Vergabe des Stromnetzes kann der Volksentscheid daher schon aus zwingenden Rechts- und tatsächlichen Gründen keinen Beitrag leisten.
Stadtwerk ohne öffentliche Kontrolle und auf Verlust ausgerichtet - Hohes finanzielles Risiko für Berlin
Das Berliner Abgeordnetenhaus berät derzeit die Gründung eines Stadtwerkes durch Änderung des Berliner Betriebegesetzes; ein weiteres Stadtwerk ist demgegenüber überflüssig. Das durch Volksentscheid zu gründende Stadtwerk soll keinerlei öffentliche Kontrolle seiner üblichen Betätigung durch Senat oder Abgeordnetenhaus haben. Die im Betriebegesetz vorgesehene, rechtlich erforderliche Gewährträgerversammlung des Senats, wird durch den Vorhabenträger abgeschafft. Statt des vom Berliner Abgeordnetenhaus kontrollierten Senats entscheiden Verwaltungsräte z.B. selbst über ihre eigene Vergütung und ihre eigene haftungsrechtliche Entlastung. Da sowohl die Landeshaushaltsordnung als auch das z.B. für BVG und BSR geltende Betriebegesetz unanwendbar sein sollen, wird dem Stadtwerk unwirtschaftliches Arbeiten gestattet. Zusammen mit weitreichenden Förderzusagen im Entwurf des Vorhabenträgers ist dieses Stadtwerk auf Risiko und Verlust ausgerichtet. Trotzdem haftet das Land Berlin dann für die absehbaren Verluste des Stadtwerkes. Für Berlin bestehen daher erhebliche Haftungsrisiken ohne Kontrollmöglichkeiten. Dass demokratisch gewählte Mitglieder des Abgeordnetenhauses für diesen Verwaltungsrat faktisch nicht wählbar sein sollen, rundet den Gesamteindruck nicht nur ab, sondern ist bundesweit einmalig und begegnet durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Unterstützen Sie kein Gesetz, das ein absehbares und unbeschränktes Risiko für den Landeshaushalt Berlins darstellt und stimmen Sie deshalb mit NEIN!
Berlin, 29. August 2013
Saleh Schneider Stroedter Graf Melzer Dr. Garmer und die übrigen Mitglieder und die übrigen Mitglieder der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU
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Beschlussprotokoll der 34. Sitzung vom 29. August 2013
http://www.parlament-berlin.de/pari/web/wdefault.nsf/vFiles/B01-00185/$FILE/plen17-034-bp.pdf
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29. August 2013 Harald Wolf
Volksentscheid "Neue Energie für Berlin"
34. Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses
Volksentscheid "Neue Energie für Berlin"
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Pressemitteilung 30.8.2013 Energietisch auch hier zu lesen
Koalition verabschiedet sich von Rekommunalisierung
Kritik von SPD und CDU nicht stichhaltig
Die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU haben sich gestern im Abgeordnetenhaus endgültig von einer Energieversorgung in öffentlicher Hand verabschiedet. Der Antrag enthält kein klares Bekenntnis zum Stadtwerk als auch zum Netzrückkauf.
Der Koalitionsantrag setzt weiter auf die Strategie „Alles sei schon umgesetzt" und auf die Streuung rechtlicher Bedenken. Dies zielt vor allem darauf ab Verwirrung zu stiften. Leider werden damit auch weiterhin falsche Behauptungen in die Welt gesetzt.
So verzichtet das vom Energietisch vorgesehene Stadtwerk nicht auf eine öffentliche Kontrolle, wie unterstellt wird. Der Senat hat zum einen die Rechtsaufsicht, zum anderen ist er mit zwei Senatoren direkt im Verwaltungsrat vertreten. Selbst das Parlament hat gegenüber dem Stadtwerk weitreichendere Kontrollmöglichkeiten als bei anderen berlineigenen Betrieben. Dazu kommen umfangreiche Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung. So entscheidet das Parlament über die finanzielle Ausstattung des Stadtwerkes und bestimmt damit auch das finanzielle Risiko. Zudem soll das Stadtwerk laut Gesetzentwurf des Energietisches nach „kaufmännischen Grundsätzen" arbeiten und stellt somit die wirtschaftliche Stabilität sicher. Auch finden sich im Gesetzentwurf keine Förderzusagen, die einen individuellen Rechtsanspruch mit sich bringen.
Bei der Vergabe der Netzkonzession stimmen die Berlinerinnen und Berliner über eine Grundsatzfrage ab: Soll das Stromnetz in die öffentliche Hand oder nicht? Im Erfolgsfalle fordert der Volksentscheid den Senat auf, im Rahmen der EU- und bundesrechtlichen Vorgaben sich für eine erfolgreiche Bewerbung von Berlin Energie einzusetzen. Dazu hat er dann den klaren Auftrag Berlin Energie so auszustatten, dass die Bewerbung erfolgreich sein kann. Bisher hat der Druck des Volksbegehrens bei der Qualifizierung von Berlin Energie deutlich gewirkt. Allerdings muss auch hier noch nachgelegt werden.
Auch sieht der Energietisch nicht vor, dass eine neu zu gründende Netzgesellschaft sich noch am laufenden Konzessionsverfahren beteiligen soll.
Vielmehr soll Berlin Energie bei einer erfolgreichen Bewerbung in die vom Energietisch vorgesehen Anstaltsform übergehen.
„Damit kommt es am 3.11. zu einer Grundsatzentscheidung. Wer für ein Stadtwerk und ein öffentliches Stromnetz ist, muss mit Ja für den Gesetzentwurf des Energietisches stimmen", erklärt Stefan Taschner, Sprecher des Berliner Energietisches.
"Zum Vorwurf der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit ist erneut darauf hinzuweisen, dass dem Energietisch schriftlich durch die Senatsverwaltung für Inneres bescheinigt worden ist, dass der Gesetzentwurf nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Der Senat hat das Volksbegehren zugelassen und rechtliche Bedenken explizit verneint", so Michael Efler, Vertrauensperson des Volksbegehrens.
Kontakt Dr. Stefan Taschner Tel. 030 - 2435 7803 oder 0176 - 24787213
http://berliner-energietisch.net
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30. AUGUST 2013
IHK Berlin: „Abgeordnetenhaus bleibt mit Beschluss zum Stromentscheid auf halber Strecke stehen"
Anlässlich des gestrigen Beschlusses des Abgeordnetenhauses, den Berlinerinnen und Berlinern eine Ablehnung des Volksentscheids am 3. November zu empfehlen, warnt die IHK Berlin vor den Risiken einer Rekommunalisierung für das Land Berlin. Zwar empfiehlt das Abgeordnetenhaus richtigerweise den Volksentscheid über ein „Gesetz für die demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung in Berlin (EnergieVG) nicht zuzustimmen", allerdings bleiben die mit dem Gesetz verfolgten Ziele weiterhin auf der Tagesordnung.
„Die Koalition lehnt zwar die etwas weiter gehenden Forderungen des Volksbegehrens ab, aber die grundsätzlichen Fragen bleiben unangetastet: das Problem der finanziellen Risiken und der energiepolitischen Wirkungslosigkeit", mahnt IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder. „Mit dem gestern gefassten Beschluss bleibt das Abgeordnetenhaus auf halber Strecke stehen. Grundsätzlich muss der Senat seine Rekommunalisierungsziele sowohl an finanz- als auch an ordnungspolitischen Aspekten ausrichten und folgerichtig aufgeben."
Unabhängig von einem positiven Votum für das im November zur Abstimmung stehende Gesetz stehen der Rückkauf des Stromnetzes und die Gründung eines landeseigenen Stadtwerks auf der Agenda des Senats. Beides führt zu nicht kalkulierbaren Risiken für das Land. Ein vom Berliner Beratungsunternehmen SNPC in Zusammenarbeit mit der IHK Berlin erstelltes Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass eine vom Land gehaltene Netzgesellschaft zwar über die Verzinsung des Eigenkapitals Einnahmen erzielen kann. Dem stehen jedoch hohe Finanzierungslasten für das bereits hoch verschuldete Berlin gegenüber. Die Gutachter machen deutlich, dass über die nächsten zwanzig Jahre nur eine sehr geringe Durchschnittsrendite von knapp 0,2 Prozent erreicht werden kann, die schon bei leichter Abweichung vom Idealszenario sinken würde. Abhängig vom Kaufpreis könnte sich die Pro-Kopf-Verschuldung in Berlin um bis zu 870 Euro pro Einwohner erhöhen.
Darüber hinaus hat die IHK Berlin bereits im Jahr 2011 gemeinsam mit der Handwerkskammer Berlin die umwelt- und energiepolitischen Aspekte einer Rekommunalisierung einem „Faktencheck" unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass eine Rekommunalisierung des Verteilnetzgeschäftes nicht hilft, die energiewirtschaftlichen Ziele Klimaschutz, Versorgungssicherheit und günstige Preise zu erreichen.
Das Gutachten finden Sie unter www.ihk-berlin.de, Dok.-Nr. 98019
Pressemitteilung der IHK Berlin vom 30. August 2013 - auch hier zu lesen
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http://www.ihk-berlin.de/innovation/Politische_Positionen/1952666/Naturschutz.html
IHK: Hintergrund zum Stromentscheid
Die IHK setzt sich in der energie- und klimapolitischen Diskussion für einen funktionierenden Wettbewerb ein. Aktuelle Bestrebungen zur Rekommunalisierung in den Bereichen Strom- und Gasversorgung sind aus Sicht der Berliner Wirtschaft nicht zielführend.
Die Konzessionsverträge für Gas und Strom in Berlin laufen Ende 2013/2014 aus. Aus Sicht der IHK sollte der Senat bei der Neuvergabe eine tragfähige energiepolitische Strategie verfolgen und seine Pläne zum Erwerb von Anteilen der Netze aufgeben. In dem 2012 erschienenen Gutachten "Strom- und Gasnetz im Fokus" der IHK Berlin wird die mangelnde energiepolitische Wirksamkeit sowie ein hohes finanzpolitisches Risiko einer Netzbeteiligung durch die öffentliche Hand deutlich.
In dem Faktencheck "Garantie für Klimaschutz und sinkende Preise?" haben IHK und HWK die gängigsten Argumente für eine Rekommunalisierung einer Prüfung unterzogen. Dabei wurde deutlich, dass die mit der Rekommunalisierung von Strom und Gas verbundenen Erwartungen nicht erfüllt werden können.
Ihre grundsätzlichen Positionen zur Energiepolitik finden Sie hier
•· MEHR ZU DIESEM THEMA
Downloads
http://www.ihk-berlin.de/linkableblob/1950794/.10./data/Gutachten_Rekommunalisierung-data.pdf
http://www.ihk-berlin.de/linkableblob/1268330/.14./data/Faktencheck_Rekommunalisierung-data.pdf