Der Preiskampf ist eine riesige Wertvernichtung
13.01.2010
Der Preiskampf ist eine riesige Wertvernichtung
Thomas Eller ist Geschäftsführer der Rudolf Wild GmbH & Co. KG und Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Ernährungsindustrie in Berlin-Brandenburg (WVEB).
Berliner Wirtschaft: Herr Eller, Ihr
Unternehmen hat gerade eine neue Anlage zur Herstellung natürlicher Tee- und
Kräuterextrakte in Betrieb genommen. Wie attraktiv ist Berlin heute als
Industriestandort?
Thomas Eller: Die Rahmenbedingungen für die Firma Wild
stimmen. Allerdings ist das von Bezirk zu Bezirk unterschiedlich. Spandau, wo
Wild seit Jahren seinen Firmensitz hat, ist ein traditioneller
Industriestandort mit vielen alteingesessenen Unternehmen. Dort gibt es Platz
zur Expansion. In der Innenstadt ist das schon schwieriger. Deshalb ist die
Verfl echtung der Berliner Industrie mit Brandenburg so wichtig. Dort gibt es
genügend Fläche für Neuansiedlungen größerer Unternehmen.
Trotzdem haben einige Unternehmen der
Ernährungsbranche nach dem Mauerfall die Produktion reduziert oder ihre Werke
geschlossen.
Das liegt natürlich auch am Wegfall der Berlin-Förderung. Diese Subvention war
der Grund, dass Unternehmen damals überhaupt nach West-Berlin kamen. Und das
war auch gut so. Jetzt ist in der Branche ein ganz normaler Prozess im Gange.
Kapazitäten werden zusammengelegt, um effi zienter zu produzieren. Manche
Unternehmen konzentrieren die Produktion auf weniger Werke. Andere bauen auch
aus, wie zum Beispiel Storck. Trotz der weltweiten Wirtschaftskrise blieb die
Ernährungsindustrie im Jahr 2009 recht stabil und deren Beschäftigungszahl
konstant.
Welchen Stellenwert hat die
Ernährungsindustrie in Berlin-Brandenburg?
Sie nimmt innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes eine bedeutende Rolle ein.
Ende 2008 arbeiteten mehr als 21 000 Mitarbeiter in der Ernährungsindustrie in
Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten. Berlin ist ein wichtiger
Produktionsstandort, der überwiegend mittelständisch geprägt ist. Insbesondere
im Süßwarenbereich.
Der Preiskampf der Discounter und
Handelsketten macht auch um die Berliner Industrie keinen Bogen. Wie wirkt sich
der Druck auf die Lebensmittelpreise auf die Unternehmen aus?
Sie müssen davon ausgehen, dass 2010 kein einfaches Jahr wird. Durch die
Krise haben die Leute immer weniger Geld in der Tasche, so dass die Nachfrage
stagniert. Auf Druck der Discounter und Handelsketten müssen viele Hersteller
die Preise senken. Das ist eine riesige Wertvernichtung. Die Süßwarenhersteller
haben es derzeit besonders schwer, ihre Waren bei den Handelsketten zu
vernünftigen Konditionen unterzukriegen. Durch die aktuell hohen Kakaopreise
müssten sie eigentlich die Preise für ihre Erzeugnisse anheben, aber das macht
der Handel nicht mit.
Kann die Wirtschaftsvereinigung
Ernährungsindustrie Berlin-Brandenburg etwas dagegen tun?
Wir versuchen, intelligente Netzwerke zu knüpfen, um die Firmen in die Lage
zu versetzen, effi zienter zu produzieren und die Kosten zu senken. Zum
Beispiel beim Energieverbrauch. Strom und Wasser sind in Berlin besonders
teuer. Nun erhöht Vattenfall die Energiepreise noch einmal. Damit das nicht für
die Industrieunternehmen zum Wettbewerbsnachteil wird, fördern wir die
Kooperation mit Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen. Es laufen
insgesamt 12 Hochschulkooperationen, darunter einige Forschungsprojekte zum
Thema Energieeffi zienz in Berlin und Brandenburg. Aber auch zur
Lebensmittelsicherheit gibt es Projekte. Fremdkörperdetektion ist ein
Forschungsschwerpunkt in der Region. Davon profi tiert die gesamte
Lebensmittelindustrie.
Verbraucherschützer fordern eine
Ampelkennzeichnung für Lebensmittel, damit die Käufer leichter zwischen
gesunden und nicht so gesunden Produkten unterscheiden können. Welche Position
hat Ihr Verband dazu?
Wir sind nicht gegen eine Kennzeichnung von Lebensmitteln. Aber eine Ampel
ist keine sinnvolle Regelung. Was bringt es dem Verbraucher, wenn auf der
Butter ein roter Punkt ist? Er weiß auch so, dass Butter viel Fett hat. Das
Deklarations- und Darstellungsrecht muss so überarbeitet werden, dass es für
den Verbraucher transparent ist. Aber man kann dem Käufer nicht alles abnehmen,
er muss selbst entscheiden, was und wie viel er isst.
Wo sehen Sie künftig Schwerpunkte der
Arbeit der WVEB?
Wir müssen den Standortvorteil, die gute Wissenschaftsstruktur in Berlin und
Brandenburg, unbedingt besser nutzen. Denn nur mit innovativen hochqualitativen
Produkten können neue Märkte erschlossen werden. Ich sehe ja in der
Rhein-Main-Neckar-Region, wo das zweite Werk von Wild beheimatet ist, was eine
intelligente Vernetzung von Industrie- und Forschungs-Know-how bringen kann.
Das wollen wir hier auch erreichen.
Wie sollen Unternehmen den richtigen
Kooperationspartner finden?
Wir haben eine Plattform entwickelt, die alle Partner aus Wirtschaft und
Wissenschaft zusammenbringen soll. Auf dieser internetbasierten Forschungs- und
Entwicklungsdatenbank können unsere Mitglieder exklusiv Kontaktdaten von
Wissenschaftlern, Hochschulen und Instituten mit ihren Forschungsschwerpunkten
im Bereich der Lebensmittelindustrie abrufen.
Interview: Katja Fischer
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Ernährungswirtschaft: Hauptstadt des guten Geschmacks - Titelthema der "Berliner Wirtschaft" im Januar 2010 - 11.01.2010
http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=977
Blick in die regionale Wirtschaftspresse - Januar 2009 (1): Berliner Wirtschaft der IHK - 06.01.2010
http://www.innomonitor.de/index.php?id=132&be=955